Sa, 21.07.2007, Tag 1 (Recife)

Nach einem ziemlich stressigen letzten Arbeitstag am Freitag, an dem wieder einmal viele Dinge auf den letzten Drücker erledigt werden mussten, ging es am Samstag Morgen los auf unsere 4-wöchige Rundreise durch Brasilien. Am Freitag Abend fand im Condominio von Sanella (dasselbe, in dem auch ich noch vor 5 Wochen gewohnt habe) ein Abschiedschurrasco statt.

Am Samstag Morgen holten mich Lucas und Zarko gegen 6:30 Uhr bei Marcelos Haus ab und los gings auf den Flughafen. Marcelo und seine Familie waren bereits eine Stunde früher dorthin aufgebrochen, da sich ihre Abflugszeit am Tag zuvor noch einmal verändert hatte. Auf dem Flughafen trafen wir sie allerdings wieder – ihr Flug hatte aufgrund einer fehlenden Besatzung massiv Verspätung. Auf für unseren Flug wurde beim Check-In nach ewiger Warterei in einer meterlangen Schlange Verspätung angekündigt.
Diesmal hielt es sich aber in Grenzen, so dass wir gegen 9:30 Uhr zum Boarding aufgerufen wurden und schließlich mit etwas mehr als einer Stunde Verspätung in Richtung São Paulo/Guarulhos abhoben. Dort angekommen klappte mit dem Anschlussflug auch alles bestens, da dieser auch Verspätung hatte. Gegen 11.30 Uhr waren wir dann aber auf dem Weg nach Recife. Den Flug verschlief ich zum Teil, da ich in der Nacht zuvor ja nicht besonders viel Zeit dafür gehabt hatte.

Gegen 14:45 Uhr kamen wir mit am Ende nur etwa einer halben Stunde Verspätung in Recife an. Nachdem wir unser Gepäck hatten und uns ein wenig orientiert hatten, suchten wir uns ein Taxi. Dabei machten wir gleich die erste Erfahrung mit dem Verhandeln von Preisen, was hier im Nordosten weit üblicher zu sein schien. Jedenfalls kostete uns die Fahrt nach einigem Hin- und Her nur noch 30 R$ obwohl sie zuvor noch bei 40 R$ lag.

In Olinda bei der Pousada unserer Wahl angekommen, erfuhren wir, dass bereits alles ausgebucht war. Die Auskunft, die ich noch eine Woche zuvor telefonisch erhalten hatte, dass keine Reservierung für das Wochenende nötig sei war also schlicht falsch. Wir wollten uns dann gerade auf den Weg zur Option Nr. 2 machen als wir von zwei “selbsternannten Touristenführern” abgeschleppt wurden. Aber immerhin fanden die beiden nach einiger schweißtreibender Suche eine andere Pousada ganz in der Nähe für uns.
Nach dem sehr zügigen Marsch mitsamt dem Gepäck, den unser Guide bei der Suche nach einer Unterkunft vorgelegt hatte und der so gar nicht zur bereits spürbaren “tranqüilo-Haltung” der Leute hier passte, kühlten wir uns im Swimmingpool erstmal etwas ab.

Später machten wir uns dann auf, um ein wenig die Gegend zu erkunden. Kaum hatten wir unsere Pousada aber verlassen hatten uns die beiden Guides wieder am Wickel. So bekamen wir mehr unfreiwillig eine kleine Tour durch die Altstadt aufgedrängt. Trotz allem war es aber ganz interessant, auf diese Weise noch ein wenig die Stadt am Abend (es war ca. 18:00 Uhr und bereits vollkommen dunkel) kennen zu lernen. Und immerhin bekamen wir ein paar Informationen, die uns sonst vermutlich vorenthalten geblieben wären.

Zum Abendessen führten uns unsere Guides in eine Kneipe, in der wir “Carne do sol” mit Maniok aßen – eine typische Spezialität des Nordostens Brasiliens. Ich war begeistert davon, zumal mir dieses Maniok sowieso sehr gut schmeckte. Unsere Guides ließen sich noch auf einen Drink einladen, verdrückten sich dann aber nachdem sie uns klar gemacht hatten, dass sie gerne jetzt ihre Bezahlung für die kleine Tour und evtl. weitere Touren an den folgenden Tagen hätten. Sie erleichterten uns dafür um 50 R$ und ich nahm mir vor, ab sofort nicht mehr so einfach auf irgendwelche Angebote herein zu fallen.

Nach dem Abendessen, das wirklich sehr gut war kehrten wir zu unserer Pousada zurück, um uns ein wenig auszuruhen. Außerdem hatte der Regen, der schon vor dem Essen begonnen hatte immer noch nicht ganz aufgehört. Deshalb fiel der Plan, gegen später noch in Alto da Sé das Nachtleben zu erkunden, ins Wasser. Wir saßen nur noch bei einem Caipirinha (der extrem stark war) mit ein paar Leuten vom Hostel zusammen, die allerdings alle Locals und ein wenig seltsame Gestalten waren. Eine(r) von der/dem ich nicht mal sagen konnte, ob er/sie eine Frau oder ein Mann war – vermutlich sogar ein Transvestit. Wir verließen die Runde dann auch so gegen 23 Uhr und fielen ziemlich müde von der Reise ins Bett.

Fala Deutsch? – Sprechen Sie portugues?

Am vergangenen Samstag habe ich meinen letzten Ausflug von Florianópolis aus unternommen. Zusammen mit meinen beiden Kollegen Zarko und Eduardo sind wir früh am Morgen nach Pomerode und Blumenau aufgebrochen. Diese beiden Städte gelten hier im Süden als DIE deutschesten Städte Brasiliens und ich wollte sie schon immer mal besuchen, da es mich einfach interessiert hat, wieviel der deutschen (Einwanderer-)Kultur dort noch erhalten ist.

Eduardo holte Zarko und mich gegen 7:30 Uhr am Samstag Morgen ab und los ging’s die etwa 2,5 Stunden nach Pomerode. Dort angekommen, besuchten wir zunächst ein kleines Geschäft mit Fabrikverkauf der bekannten Schmidt Porzellanfabrik, mit der Pomerode in ganz Brasilien berühmt wurde. Anschließend schlenderten wir ein wenig durch das Städtchen und ich muss sagen, dass sie vor allem im Kern schon einen typisch deutschen Eindruck machte. Im Vergleich zu den brasilianischen Städten, die ich bisher kennen gelernt hatte, war der Stadtkern wesentlich sauberer, die Straßen und die Hauswände ordentlicher und gepflegter – wie man das eben von deutschen Siedlungen erwartet ;-)…

Anschließend wollte uns Eduardo die “Rota de Casas Enxamel” zeigen, ein Rundweg vorbei an einigen Fachwerkhäusern nach deutscher Bauart. Allerdings fanden wir den Weg nicht richtig und bekamen bis auf ein oder zwei Ausnahmen keine wirklichen Fachwerkhäuser zu sehen. Zwischendrin waren immer mal wieder Fälschungen zu sehen, deren Betrug aber schon aus der Ferne sofort auffiel.

In meinem Reiseführer war ein Museum über die Entstehung und Geschichte der Stadt erwähnt, das wir danach aufsuchen wollten. Zunächst hatten wir einige Schwierigkeiten es zu finden, da es ein wenig außerhalb der Stadt lag. Nachdem Eduardo sich aber ein paar Mal erkundigt hatte, hatten wir unser Ziel erreicht. Das Museum selbst war nichts besonderes, trotzdem aber nett hergerichtet und interessant zu sehen.

Da es inzwischen Mittag war, machten wir uns nach diesem Abstecher auf in das Restaurant “Wunderwald”, um echte deutsche Küche mitten in Brasilien zu genießen. Ich war wirklich gespannt, was mich dort erwarten würde. Die erste Frage des Kellners beim Austeilen der Speisekarten war dann auch prompt: “Sprechen Sie auch Deutsch?”. Eine portugiesische Karte für Eduardo war dann aber ohne weitere Probleme doch zu bekommen ;-)…

Wir entschieden uns für eine gemeinsame Platte mit gefüllter Ente und weiteren Beilagen, die uns beim Servieren auch liebevoll im Einzelnen auf Deutsch erklärt wurden: Sauerkraut, Rotkraut, Weißwurst, Bockwurst, Klöße, verschiedene Sorten Senf, etc… Für mich machte es den Anschein als wären die Beilagen aus den verschiedensten Regionen Deutschlands zusammengetragen worden – alles in allem jedenfalls eine interessante Mischung. Und vor allem jede Menge, wie wir wenig später feststellten…

Nach diesem sehr reichhaltigen und durchaus sehr guten Mittagessen machten wir uns noch einmal auf, die richtige “Rota de Casas Enxamel” zu finden. Und diesmal hatten wir auch tatsächlich Glück, was allerdings nichts an der Tatsache änderte, dass wir nicht besonders viele echte Fachwerkhäuser zu sehen bekamen. Oft war nur die Vorder- und Rückwand im Fachwerkstil erbaut, gerade so als wolle man den Betrachter absichtlich täuschen. Der Rundweg konnte also keineswegs mit den Versprechen mithalten, die ihm vorauseilten.

Nach dieser eher enttäuschenden Rundtour machten wir uns auf nach Blumenau. Dort angekommen, fuhr uns Eduardo – der ursprünglich aus Blumenau stammt – zunächst ein wenig durch die Stadt. Anschließend zeigte er uns das Rathaus und parkte das Auto in dessen Nähe. Von dort aus wanderten wir ein wenig die Hauptstraße entlang, die erneut auch nach Reutlingen gepasst hätte. Hier war die Ähnlicheit zu Fußgängerzonen in unseren kleinen süddeutschen Städten sogar noch offensichtlicher als in Pomerode. Vor allem die Sauberkeit und Ordentlichkeit stach im Vergleich zu den typischen brasilianischen Städten erneut erkennbar hervor.

Nachdem wir so ein wenig die Stadt erkundet hatten, kehrten wir für einen Kaffee ins “Cafe Colonial” ein. Eigentlich war wesentlich mehr als “nur ein Kaffee”, da dort ein umfangreiches Kaffee- und Kuchen-Buffet ganz nach brasilianischer Art Tradition ist. Es gab bestimmt 10 verschiedene Kuchen und Torten, sowie andere leckere Süßspeisen zur Auswahl – und das ganze für 16 R$ All-You-Can-Eat-Buffet. Obwohl wir eigentlich schon sehr gut zu Mittag gegessen hatten, konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen und so schlugen wir zum zweiten Mal an diesem Tag ziemlich zu.

Nach diesem Kuchen-Festmahl war es dann auch schon später Nachmittag und so machten wir uns langsam auf den Weg zurück zum Auto. Wenig später waren wir dann auch schon auf dem Rückweg nach Florianópolis und legten in Balneario Camboriú noch einen kleinen Zwischenstopp ein, um die Mole entlang zu laufen. Diese Stadt ist eine typische Touristen-Stadt mit Hoteltürmen direkt an der Promenade und am Strand entlang. Da wir bisher nur auf unseren Reisen nach Foz do Iguacu und nach Curitiba einen kurzen Stopp hier eingelegt hatten, war es aber ganz interessant, ein wenig mehr von der Stadt zu sehen.

Von Balneario Camboriú ging es dann direkt zurück nach Florianópolis, wo mich Eduardo gegen 21:30 Uhr bei Marcelos Haus ablieferte. Es war mal wieder ein schöner Ausflug gewesen und dank Eduardos Begleitung (mit Auto) natürlich wesentlich angenehmer als mit dem Bus – vor allem, da sich die Entfernungen in den eigentlich recht kleinen Städten (für brasilianische Verhältnisse) Pomerode und Blumenau als doch recht groß herausgestellt hatten.

Das war dann wohl auch mein letzter Ausflug von Florianópolis aus. Die nächsten Ausflüge werden von verschiedenen Orten aus auf meiner Rundreise durch Brasilien ausgehen und natürlich wird es auch über diese Berichte geben. Allerdings evtl. erst zeitversetzt nach meiner Rückkehr nach Deutschland – abhängig von den Möglichkeiten, unterwegs günstig auf der Internet zuzugreifen.

Arbeit, Wohnung und Sonstiges… (Teil 2)

Einigen von euch hatte ich ja bereits versprochen, noch einen weiteren Bericht über mein alltägliches Leben hier in Florianópolis zu schreiben. Da ich festgestellt habe, dass ich seit dem Bericht “Eine neue Bleibe” vom 6. März praktisch kein Wort mehr darüber verloren habe, gibt es natürlich auch einiges zu berichten. Vor allem, da die letzten Wochen ziemlich turbulent waren und ich inzwischen seit drei Wochen auch schon nicht mehr in der “neuen Wohnung” wohne. Gerade diese ganzen – weniger erfreulichen – Ereignisse waren auch der Grund, wieso ich mein Blog in den letzten Wochen ein wenig vernachlässigt habe. Das hole ich jetzt aber wieder auf…

Ende Februar bin ich ja von meiner Wohnung in Abrãao in eine andere in Estreito umgezogen (siehe Google Earth Koordinaten und den Bericht “Eine neue Bleibe” vom 6. März). Die ersten zwei bis drei Wochen habe ich dort zusammen mit meinem Vermieter gewohnt, was ein Erlebnis für sich war :-/… Wenn ich Abends von der Arbeit heim kam war für gewöhnlich bereits ein Freund von ihm da und sie haben entweder Musik in voller Lautstärke gehört oder PlayStation in ähnlichem “Volume-Level” gespielt. Die Küche war die Woche über praktisch nicht benutzbar, da die Spüle und die wenigen Ablagemöglichkeiten mit dreckigem Geschirr vollstanden. Einmal pro Woche kam eine Haushälterin zum Saubermachen vorbei, was dann auch für etwa ein bis zwei Tage anhielt. Dann ging der Kreislauf wieder von vorne los…

Verglichen mit den Wochenenden war das aber alles noch harmlos. Am Freitag Abend gings los mit Party, die dann bis tief in die Nacht (ca. 5 Uhr) dauerte. Zu diesen Parties war natürlich immer “Full House” und die ganzen Freunde übernachteten auch für gewöhnlich im Wohnzimmer und dem dritten Zimmer. Wenn ich am Samstag Morgen aufgestanden bin, lagen eigentlich immer ein oder zwei Personen irgendwo im “Wohnzimmer herum”.

Diese Situation war insgesamt nicht besonders erfreulich und forderte meine Toleranz doch in nicht unerheblichem Maße heraus. Ich bin einfach nicht WG-erprobt und auch nicht besonders begeistert davon, mir meine letzte Rückzugsmöglichkeit mit anderen Personen zu teilen, vor allem, wenn diese dann solche Chaoten sind wie hier. Mit dem Wissen, dass alles für eine begrenzte Zeit sein würde und dem Versprechen meines Vermieters, dass es nach seinem Auszug “ruhiger” zugehen würde, meisterte ich diese Zeit aber auch.

Thiago (mein Vermieter) wollte in der dritten Woche nach meinem Einzug schließlich ausziehen, um Platz für seine Ex-Frau zu machen. Sein eigentlicher Auszug fiel damit genau auf das verlängerte Wochenende, das ich mit meinem Kollegen Zarko auf der Ilha do Mel in Paraná verbrachte. Als wir am Sonntag von unserem Kurzurlaub zurück kamen und ich auch noch Björn mitbrachte, den wir auf der Ilha do Mel kennen gelernt hatten, traf mich der erste Schock: Der Kühlschrank war ohne Rücksicht auf Verluste ausgesteckt worden und die wenigen Dinge von mir fingen bereits an zu riechen. Außerdem war die Küche mal wieder ein Chaos vor lauter dreckigem Geschirr, das überall herumstand. Thiago schien aber bereist ausgezogen zu sein, da seine Sachen zum größten Teil nicht mehr im Apartment waren.

Als ich am Montag Abend von der Arbeit nach Hause kam, war der ausgesteckte Kühlschrank noch getoppt worden: Er fehlte jetzt ganz und meine Sachen waren in der Küche aufgeschichtet – inklusive der Butter, die bei den durchaus noch sommerlichen Temperaturen natürlich bereits begann davon zu laufen. Außerdem war die Küche weiterhin ein Chaos – sogar eher noch schlimmer als am Tag zuvor. Ich rief dann natürlich sofort Thiago an und beschwerte mich. Dieser wimmelte mich wie immer mit der typisch brasilianischen “tranqüilo”-Haltung ab, ganz nach dem Motto “take it easy, es wird schon alles werden”. Begeistert war ich davon natürlich nicht, aber was sollte ich machen?

Leider war das bei weitem noch nicht alles: Am Dienstag Abend fehlte dann neben dem Kühlschrank auch noch der Strom in der ganzen Wohnung. Ziemlich sauer rief ich erneut Thiago an, der sich völlig unschuldig gab und erklärte, es gäbe ein Problem mit dem Zentralschalter. Nach meiner bisherigen Erfahrung lag das Problem aber sehr wahrscheinlich eher an ungezahlten Rechnungen. Immerhin schickte er zwei Freunde vorbei, die aber natürlich auch nicht viel ausrichten konnten. Den Abend verbrachte ich dann im Kerzenlicht.

An den folgenden Tagen funktionierte zwar wenigstens der Strom wieder, dafür fehlten aber einige Dinge von mir (Handtücher, etc.), die Thiago einfach kurzer Hand mitgenommen hatte. Außerdem meldete er wenige Tage später ohne weitere Ankündigung den Internet-Zugang auf seine neue Wohnung um, so dass auch mein Draht zur Außenwelt gekappt war. Zudem musste ich mit dem Chaos in der Küche für ziemlich genau eine Woche leben, bis die Haushälterin zum Ordnung machen vorbei kam. Trotz aller Unannehmlichkeiten hütete ich mich davor, selbst damit anzufangen, da ich Thiago diesbezüglich auf gar keinen Fall entgegen kommen wollte. Er hatte schon so viele Probleme verursacht, dass ich bereits einen ziemlichen Hass auf ihn schob.

Wenige Tage später zog Thiagos Ex-Frau dann ein und brachte neben ihrem einjährigen Kind noch eine Mitarbeiterin von Thiago mit, die für die nächsten zwei Wochen die meiste Zeit ebenfalls in der Wohnung wohnte. Leider stellte sich sehr schnell heraus, dass die beiden Frauen bezüglich Ordnung halten nicht wesentlich besser waren als Thiago und seine Freunde. Und so sah es in der Küche die meiste Zeit weiterhin so aus als hätte eine Bombe eingeschlagen und der Kleine tat außerdem auch noch sein bestes, um zusätzlich für Unordnung zu sorgen. Wenn ich mal für ein paar Minuten meine Zimmertür nicht schloss, schloss er mein Zimmer ebenfalls in seinen “Spielbereich” mit ein, was mich hinsichtlich meiner empfindlichen elektronischen Geräte wie Notebook und Festplatte nicht besonders begeisterte. Seine Mutter war aber eher schlecht als recht in der Lage, ihn ausreichend zu beschäftigen oder ihm einfach nur klar zu machen, dass mein Zimmer für ihn tabu war. Also hieß es für mich eben immer Türe schließen oder dauernd ein Auge auf den Kleinen und seine neuesten Absichten zu haben…

Die Installation eines neuen Internet-Zugangs zog sich ganz nach Thiagos Art und Weise die Dinge zu regeln natürlich über Tage hin. Ich wurde Tag für Tag immer wieder vertröstet und kann inzwischen nicht mehr genau nachvollziehen, wie lange ich insgesamt warten musste. Jedenfalls “organisierte” Thiago irgendwann die Mitbenutzung eines geteilten DSL-Zugang zwei Stockwerke über uns, den wir für etwa 3 bis 4 Wochen auch nutzten konnten.

Dann fiel dieser Zugang aber plötzlich auch wieder aus und nach ein wenig Hin- und Her erfuhren wir, dass wir von dem Besitzer des DSL-Modems zwei Stockwerke über uns ausgesteckt wurden, da sich andere Teilnehmer im “Hausnetzwerk” über einen zu langsamen Zugang beschwert hatten. Außerdem wurden wir darüber aufgeklärt, dass Thiago diesem angeblichen Freund scheinbar nichts für die Mitbenutzung des Zugangs gezahlt hatte. An meiner monatlichen Miete inklusive Internet-Zugang hatte sich aber natürlich nichts geändert…

Und wieder ging die Warterei und täglichen Anrufe bei Thiago los. Er wollte sich um einen eigenen Anschluss per TV-Kabel für uns kümmern, was sich aber natürlich erneut einige Zeit hinzog. Schließlich wurde tatsächlich ein neues Kabel installiert und wir bekamen unseren eigenen Anschluss, der nun allerdings nur noch mit einem PC zur selben Zeit verwendbar war. Also brachte uns Thiago nach weiteren zwei bis drei Tagen Wartezeit einen WAN-Router vorbei. Diesen schlachtete meine werte Mitbewohnerin allerdings sofort, da sie schlicht keine Ahnung von Elektronik hatte und das für 110 Volt gedachte Netzteil ohne nachzufragen in die 220 Volt Steckdosen einsteckte (in Brasilien gibt es Regionen mit 110 Volt und andere mit 220 Volt – Florianópolis gehört zu den letzteren). Seltsamer Weise schien der Router zwar noch zu funktionieren, teilte unseren Computern aber keine IP-Adressen mehr zu. Er war also nicht mehr zu gebrauchen und wir mussten uns mit der Nutzung des Zugangs dauernd absprechen. Da alles aber nicht meine Schuld gewesen war, bestand ich nach der Arbeit ziemlich klar verständlich auf den Zugang und beendete damit regelmäßig die Nutzung für Adriana.

Eines Tages “kümmerte” sich Thiago dann um den Router und installierte ihn angeblich erfolgreich in der Wohnung. Zunächst konnte ich es nicht glauben, da ich wirklich alles versucht hatte. Selbst mit WireShark hatte ich die Kommunikation zwischen Router und PCs abgehört, um herauszufinden, woran das Problem lag. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er das Problem so kurzer Hand gelöst hatte. Ein schneller Test führte aber zu der Erkenntnis, dass er einfach unsere PCs zusammen mit dem TV-Kabelmodem in die LAN-Buchsen des Routers gesteckt hatte, so dass dieser lediglich als Switch fungierte, was er trotz Beschädigung durch die Überspannung noch konnte. Man beachte, dass Thiago im Bereich Netzwerke tätig ist und eine Firma hat, die Lösungen in diesem Bereich verkauft. Mehr als die Enttäuschung, dass die gemeinsame Nutzung des Zugangs weiterhin nicht möglich war, ärgerte ich mich eigentlich über die Unverfrorenheit, mit der mich Thiago zu “besch…” versuchte. Vor Adriana stand ich natürlich erstmal als “unfähiger Trottel” da, da ich den Router nicht in Gang bekommen hatte. Daran änderten auch lange Erklärungen nichts, da sie den Sachverhalt einfach nicht verstand oder ihn nicht verstehen wollte.

Nach einigem Hin- und Her entschloss ich mich dann ein paar Tage später, einfach eine zweite Netzwerkkarte für ihren PC zu kaufen und diesen als Software-Router einzurichten. Das scheiterte zwar kurzzeitig noch an den Zicken ihres aus unerfindlichen Gründen sehr instabilen PCs, wurde dann mit Thiagos Hilfe (im Wesentlichen machte er nichts weiter als einen Hardware-BIOS-Reset, zu dem ich mich aufgrund von Verantwortlichkeiten für das Gerät nicht hatte durchringen können) gelöst. Ab sofort konnten wir also den Internet-Zugang wieder gleichzeitig benutzen.

Damit waren die größten Probleme im Zusammenhang mit der Wohnung gelöst und mit der konstanten Unordnung musste ich eben irgendwie zurecht kommen. Dazu rief ich mir immer wieder ins Bewusstsein, dass alles nur für eine begrenzte Zeit war und außerdem war ich ja unter der Woche praktisch nur für ein paar Stunden am Tag und zum Schlafen in der Wohnung. Und an den Wochenenden floh ich immer irgendwo hin – entweder in die Stadt oder ich unternahm anderweitig Ausflüge. Nebenbei weiterhin immer allein, da sich an der Motivation der AIESECer trotz aller Versprechen während der Discovery Days nichts geändert hatte.

Neben der Probleme mit der Wohnung und dem Internet-Zugang kam nach dem verlängerten Wochenende um den ersten Mai ein weit größeres hinzu: Als ich am Dienstag von meinem mehrtägigen Ausflug nach Santo Angelo und São Miguel das Missões zurück in die Wohnung kam, musste ich feststellen, dass mir mein restliches dort deponiertes Geld (ca. 200 R$ und 50 USD) geklaut worden war. Natürlich ging ich sofort zur Polizei, die aber außer der Anfertigung eines Berichts und einem längeren Gespräch mit dem Chef nichts weiter unternahmen. Prescilia (die Mitarbeiterin von Thiago, die für etwa zwei Wochen bei uns in der Wohnung wohnte), war an dem Wochenende zu Hause gewesen und hatte das Apartment nach eigenen Angaben nur für wenige Minuten zum Telefonieren verlassen. Das Geld war in einer Außentasche meines Reisetrolli verstaut und der Reißverschluss mit einem Vorhängeschloss gesichert gewesen. Die Diebe hatten ein Loch in die Trennwand zwischen dieser und einer anderen Außentasche geschnitten und waren so an das Geld gekommen. Das seltsame war, dass sonst nichts fehlte (Notebook, Festplatte, andere Gegenstände meiner Mitbewohner) und die Diebe zudem Wissen darüber gehabt haben mussten, wo ich das Geld verstaut hatte. Zum Glück hatte ich aber das meiste davon sowieso auf meiner Reise dabei gehabt, so dass sich der Schaden einigermaßen in Grenzen hielt. Trotzdem war es natürlich zusammen mit der ganzen Rennerei zur Polizei ein weniger erfreuliches Erlebnis…

Nach diesem Theater verliefen die folgenden Wochen einigermaßen ruhig und ohne größere Zwischenfälle. Am Wochenende nach meinem Aufenthalt in Santo Angelo fanden die AIESEC Discovery Days statt, an denen neue Mitglieder in die Arbeit von AIESEC eingeführt wurden. Dort hielt ich auch meine Country-Presentation und außerdem eine scheinbar bewegende Ansprache über die Missstände im Service, den uns AIESEC Floripa vor Ort bot. Zusammen mit Zarko prangerte ich das mangelnde Interesse an Aktivitäten mit den Trainees an und stieß dabei scheinbar auf Gehör, was mich selbst sehr überraschte. Ich rechnete tatsächlich damit, dass sich die Dinge ein wenig verändern würden, auch wenn wir davon natürlich nicht mehr allzu viel haben würden, da der größte Teil unserer Zeit in Floripa bereits hinter uns lag. Wie bereits oben kurz erwähnt, wurde ich aber diesbezüglich erneut enttäuscht. Zwar bekamen wir nun immerhin den einen oder anderen Anruf und vor allem in den Wochen unmittelbar nach den Discovery Days schien das Interesse zumindest minimal gehoben zu sein, das schlief aber über die Zeit auch sehr schnell wieder ein, so dass man unter dem Strich eigentlich sagen konnte, dass sich nicht wirklich etwas verändert hatte. Einmal mehr eine Erfahrung mit der AIESEC-Krankheit “viel reden und nichts tun”.

In meiner 30. Arbeitswoche verbrachte ich dann vom 02. bis 09. Juni eine Woche in Rio de Janeiro (siehe Bericht dazu) und machte dort mit zwei Ausnahmen hinsichtlich der AIESECer ähnliche Erfahrungen wie hier in Floripa: Sie kündigten bereits Wochen vorher ihr großes Interesse daran an, mich kennen zu lernen und zu treffen – am Ende sah ich die ganze Woche über nur ein paar wenige von ihnen und verbrachte nur einen einzigen Abend in einer etwas größeren Runde. Ansonsten unternahm ich meine Touren größten Teils mit Backpackern aus meinem Hostel oder zum Teil auch allein.

Dieses unheimlich geringe Interesse an Aktivitäten zusammen mit den Trainees und/oder die Unorganisiertheit, die diese letztlich scheitern lassen (so genau weiß ich nicht, was das Problem ist), ist jedenfalls eine der negativen Seiten meines Aufenthalts hier. Ich hätte mir mehr soziale Kontakte gewünscht und hätte gerne mehr Leute mit ähnlichen Interessen und weniger Lethargie kennen gelernt. Aber man kann andere nun mal nicht ändern und so mache ich eben weiterhin das Beste aus meinem Aufenthalt und genieße ihn und die Erfahrungen, die ich hier mache, wie sie kommen.

Am Freitag nach meiner Rückkehr aus Rio de Janeiro stand eine weitere dieser tiefgreifenden Erfahrungen für mich auf dem Programm: Während ich bei der Arbeit war, wurde erneut in unsere Wohnung eingebrochen! Dieses Mal war der Schaden deutlich größer, da mir insgesamt 1200 Reais, meine DigiCam samt Akkus und Speicherkarte (die Fotos habe ich zum Glück vorher noch heruntergeladen, so dass sich der immaterielle Schaden in Grenzen hielt) und mein Elektrorasierer (wer zur Hölle klaut sowas?) geklaut wurden. Erneut waren die Diebe ohne Gewalt in das Apartment eingedrungen, hatten also einen Schlüssel. Dieses Mal war sogar meine Zimmertür abgeschlossen gewesen, was aufgrund der sehr einfachen Schlösser aber natürlich kein größeres Hindernis gewesen war.

Vor allem aufgrund der Tatsache, dass ich Mitbewohner oder zumindest Personen aus deren Umgebung für den Diebstahl verantwortlich mache (Beweise habe ich natürlich keine und deshalb kann ich natürlich auch nichts weiter unternehmen), bin ich sofort am Samstag nach dem Diebstahl aus der Wohnung ausgezogen und wohne seit dem wieder bei Marcelos Familie, wo ich auch schon die ersten drei Wochen nach meiner Ankunft in Brasilien gewohnt hatte. Dort bin ich wieder herzlich aufgenommen worden und für meine restliche Zeit in Floripa wenigstens sicher untergebracht, ohne befürchten zu müssen, erneut beraubt zu werden. Ich fühlte mich nach diesem erneuten Diebstahl so schlecht, dass ich mehr als einmal an einen sofortigen Abbruch meines Aufenthalts hier in Brasilien gedacht habe. Mit der Unterstützung meiner Eltern und Freunde zu Hause konnte ich mich zum Glück aber wieder aufrappeln und kann inzwischen wieder in die Zukunft schauen und mich auf meine Rundreise durch Brasilien freuen.

Nach dem bereits wohlbekannten Hin- und Her mit Polizeibesuchen und dem Verkauf meiner gebrauchten Möbel, habe ich inzwischen vollständig mit der Wohnung abgeschlossen und den Kontakt zu Thiago (meinem Ex-Vermieter) und den anderen Beteiligten so gut es geht abgebrochen. Ich hege auch keinerlei Interesse daran, diesen in irgendeiner Weise aufrecht zu erhalten. Prescilia, die Thiago vor mir und vor der Polizei für den zweiten Diebstahl verantwortlich gemacht hatte, fing jedoch in den letzten Tagen an, eine große Sache daraus zu machen. Sie wollte sich vor der Polizei verteidigen und außerdem ein Gerichtsverfahren einleiten. Ersteres scheiterte letzte Woche jedoch daran, dass die Beamten die Unterlagen zum ersten Diebstahl (die sie aus irgendwelchen Gründen für eine weitere Untersuchung dringend benötigten) nicht finden konnten – es lebe die EDV und deren Anwender! Wir wurden auf später vertröstet und man wolle sich bei mir melden. Nach meinen bisherigen Erfahrungen wäre ich aber zutiefst überrascht, sollte ich tatsächlich einen Anruf von der Polizeidienststelle bekommen…

Abgesehen von all diesen Problemen, die die letzten Wochen natürlich weniger erfreulich für mich gestaltet hatten, habe ich auch ansonsten bereits weitestgehend mit meinem Aufenthalt zumindest hier in Floripa abgeschlossen. Auch die Arbeit gibt mir nicht mehr so viel, wie es am Anfang noch der Fall gewesen war: Die anfängliche Euphorie um mein eigenes Projekt für das Management von Entwicklungstasks nach Methoden der agilen Softwareentwicklung, wurde schnell von anderen – angeblich wichtigeren – Tasks unterbrochen, die mich zum Teil wieder zum Fixen von Bugs und anderen unverständlichen Aufgaben verdammten. Dazwischen stand dann der zweite Versuch, das Tool zum funktionalen Testen nun endlich auf unser Hauptprojekt Sigilowin anzuwenden. Das war anfangs zwar sehr nervig, da natürlich bei weitem nicht alles funktionierte – um nicht zu sagen, das wesentlichste eigentlich nicht. Durch die konsequente Zusammenarbeit zwischen mir und meinem Kollegen Zarko, aus der sich Thiago (unser Boss) aus schlichten Zeitgründen weitestgehend heraushielt, konnten wir jedoch Schritt für Schritt zügig auf eine Lösung der Probleme hinarbeiten. Inzwischen habe ich auch erfolgreich einige Tests für unser Hauptprojekt geschrieben, die soweit funktionieren und auf ihre Anwendung vor dem nächsten Release warten. Letzten Freitag habe ich schließlich nach etwa einmonatiger Pause meine Arbeit an meinem eigenen Projekt wieder aufgenommen und kann in den verbleibenden zwei Wochen mit etwas Glück vielleicht sogar eine erste benutzbare Version fertigstellen.

Thiago ist in der Zwischenzeit so im Stress, dass er praktisch nicht mal Zeit für kurze Fragerunden hat, was natürlich den gesamten Entwicklungsprozess mit all den vielen Baustellen in den verschiedensten Projekten merklich behindert. Er scheint nun endlich zu merken, dass unsere Arbeitszeit bald beendet ist und er dann vor einem mittel- bis enorm großen Problem steht. Neben der Arbeit am zweitgrößten Projekt “Módula ModPosto” hat er in den letzten Tagen auch noch alle Hände voll zu tun mit der Auswahl von Bewerbern auf ausgeschriebene Stellen. Alles in allem gibt es im Moment einfach zu viele Baustellen und der Entwicklungsabteilung fehlen ein oder zwei fest angestellte Mitarbeiter, die die eigentliche Entwicklung voran treiben könnten, während Thiago sich um das Management kümmert. Projektleiter und Entwickler in einer Person zu vereinen geht nunmal meist schief. Außerdem besteht natürlich auch das Problem, dass mit dem Ausscheiden der Trainees aus dem Team alle 8 bis 12 Monate das gesamte angesammelte Wissen “verloren” geht oder notdürftig auf die Nachfolger übertragen werden muss. Dadurch geht viel wertvolle Zeit verloren, die letztlich einfach nur Geld und Nerven kostet.

Natürlich beeinflusst diese ganze Situation auch meine Einstellung zur Arbeit und so muss ich im Moment zugeben, dass ich nicht mehr die volle Motivation aufbringen kann, die ich zu Beginn meines Praktikums mitgebracht habe. Ich zähle in gewisser Weise die verbleibenden Arbeitstage und freue mich auf meine Rundreise durch Brasilien und meine anschließende Rückkehr nach Deutschland. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich alles was ich hier an Erfahrung und Praxiswissen dazu gelernt habe klein reden wollte. Ich habe sogar enorm viel dazu gelernt – auf beiden Seiten: Sowohl in der Programmierung mit Delphi selbst, im Bereich Datenbanken und im Bereich Methoden der Softwareentwicklung, wie aber auch im Bereich Personalführung und dem Management von größeren Softwareprojekten. In den letzten beiden Bereichen habe ich zwar keine unmittelbare Erfahrung selbst gemacht, konnte aber sehr gut beobachten, was schief laufen kann und werde dieses Wissen mit Sicherheit in meiner eigenen beruflichen Zukunft gut gebrauchen können.

Nun sind es noch knapp zwei Wochen bis zu meinem vorläufigen Abschied von Floripa am 21. Juli und meiner grandiosen Rundreise quer durch Brasilien. Inzwischen könnt ihr in der Google Earth Koordinatendatei auf meiner anderen Website meine ungefähre Reiseroute nachvollziehen. Natürlich wird sich diese an manchen Stellen noch ändern und vielleicht gibt es ja auch den einen oder anderen Bericht von unterwegs…