Tag 18: Fort of Louisbourg

Wegen des schlechten Wetters hatten wir gestern den Cabot Trail abgebrochen und die National Historic Site of Canada in Louisbourg auf heute vorgezogen. Dort wurde das Fort of Louisbourg originalgetreu wieder aufgebaut und als “Live Museum” eingerichtet. Personal in den Kleidungen des 18. Jhdts. erklärt den Besuchern das Leben der franz. Bevölkerung im Fort zu dieser Zeit. Dafür führen sie in verschiedenen restaurierten Häusern das Handwerk des 18. Jhdts. vor. So kann man einen Schmied bei seiner Arbeit beobachten oder Brot kaufen, das genauso gebacken wurde wie vor 250 Jahren. Außerdem werden Kanonen & Musketen zur Show abgefeuert und zum Mittagessen kann man in ein Restaurant der “Upper class” einkehren, in dem auch originalgetreue Gerichte in entsprechendem Geschirr serviert werden.

Die Detailtreue und die Motivation der Angestellten bei der Präsentation “ihres” alltäglichen Lebens ist einfach beeindruckend. in den Erzählungen identifizieren sich die “Bewohner” regelrecht mit ihren jeweiligen Rollen. Besonders beeindruckend und informativ ist ein “Blick hinter die Kulissen”, den wir in einem Gespräch zufällig geboten bekommen: Einer der Laiendarsteller bemerkt, dass wir uns auf Deutsch unterhalten und spricht uns auf Deutsch an. Er ist Student und arbeitet in den Ferien im Fort. So erfahren wir einige interessante Details über die Arbeit der Darsteller.

Im Rahmen der Unterhaltung werden wir eingeladen, im Februar nächsten Jahres wieder zu kommen. Eine der Darstellerinnen im gleichen Haus würde in ihrer Rolle dann nämlich mit dem zukünftigen Finanzminister verheiratet werden. Und zu dieser Hochzeit werden wir – wie vermutlich alle Besucher 🙂 – eingeladen. Mich würde ja interessieren, ob die Hochzeit symbolisch tatsächlich gefeiert wird. Überraschen würde es mich nicht!

Später treffen wir die beiden wieder wie sie vornehm Hand in Hand spazieren gehen. Natürlich witzeln wir ein wenig, dass sie ja eigentlich bald verheiratet wird. Dieses Spazierengehen ist eines der vielen Details, die die Darstellung des Lebens im Fort im 18. Jhdt. so interessant machen. Die Darsteller sind nicht einfach nur an ihren “Arbeitsplätzen” in den Häusern anzutreffen, sondern laufen genauso im Fort umher wie die Besucher.

Wir halten uns ingesamt etwa 6 Stunden im Fort auf und erfahren viele interessante Details. Der Besuch dieser National Historic Site of Canada hat sich voll und ganz gelohnt. Und nach dem Mittagessen bessert sich das Wetter auch noch merklich und es kommt sogar die Sonne raus – was will man mehr?

Nachdem wir alles gesehen haben kehren wir zum RV zurück und fahren wieder in Richtung Cape Breton Highlands National Park. Unser Lager schlagen wir für diese Nacht auf dem Campingplatz Broad Cove auf. Dort kommen wir leider erst etwas spät an, weil wir zuerst den Campingplatz bei Ingonish angepeilt hatten. Aus dem geplanten Grillen wir leider nichts, da wir einfach kein Feuer anbekommen. Uns fehlt das nötige Kleinholz und die großen Scheite, die auf dem Campingplatz verkauft werden brennen nicht so leicht an. Am Ende “grillen” wir unser Fleisch in der Pfanne und verziehen uns wegen der Kälte ins Wohnmobil. Den erlebnisreichen Tag lassen wir wie üblich bei einem Glas Wein ausklingen.

Tag 17: Sydney & Louisbourg

Von Baddack geht es heute zunächst in Richtung Cabot Trail. Leider bewahrheiten sich die Ankündigungen der Campingplatz-Manager vom Vortag und das Wetter ist wieder einmal ziemlich mieß. Außerdem hab eich mir eine Entzündung in einem Auge zugezogen und deshalb sehr schlecht geschlafen. Am morgen kann ich das eine Auge kaum öffnen und bin auf beiden extrem lichtempfindlich. Besonders dass ich kaum etwas sehen kann, nervt mich tierisch.

Wir fahren heute früher los als sonst, kaufen in Baddack noch ein und frühstücken unterwegs. Dann geht es weiter in Richtung Cape Bretton Highlands National Park. Die Strecke zieht sich ganz schön hin und der Zustand der Straße ist immer wieder recht abenteuerlich. Auf den Smoeky Mountain geht es recht steil und kurvig hinauf – und oben angekommen sitzen wir im Nebel. Damit ist unsere Toleranzgrenze hinsichtlich des Wetters überschritten und wir beschließen, uns erstmal nach den Aussichten für die nächsten Tage zu erkundigen. In einem kleinen Motel bekommen wir die entsprechenden, leider recht negativen Infos. Daraufhin canceln wir vorerst den Cabot Trail und beschließen, heute zuerst nach Sydney bzw. Louisbourg zu fahren. Wir kehren um und fahren wieder den Smokey Mountain hinunter. Über die Bucht bei St. Ann’s nehmen wir dieses mal aber die Fähre, was noch zu einem kleinen Abenteuer wird: Beim Auf- bzw. Hinunterfahren auf bzw. von der Fähre sitzen wir hinten mit dem RV auf. Glücklicher Weise hat es zwei stabile Bügel am Gestell, die einen Schaden in so einem Fall vermeiden.

Weiter geht die Fahrt in Richtung Sydney bzw. Louisbourg. Unterwegs werden wir von Christine in North Sydney zum Lobster essen eingeladen. Für mich ist das eine Premiere: Probiert habe ich es zwar schon, aber ein ganzes Vieh alleine habe ich noch nicht bezwungen. Mit der äußerst stabilen Schale braucht es dafür auch eine spezielle Technik, die erstmal erlent werden will. Die Kneipe, in die wir für dieses Experiement einkehren liegt direkt am Industriehafen und macht auf den ersten Blick einen eher spelunkenhaften Eindruck. Schnell zeigt sich aber, dass die Bedienung äußerst freundlich und das Essen sehr gut ist.

Nachdem wir unsere Lobster bezwungen und noch ein wenig mit einer älteren Frau am Nachbartisch gechattet haben fahren wir weiter nach Sydney. Durch die wenig ansprechende, ehemalige Industriestadt fahren wir nur kurz durch und nehmen dann wieder den Hwy in Richtung Louisbourg. Dort steuern wir einen Campingplatz im Hafen direkt am Wasser an. Die Managerin, bei der wir einchecken ist hoch motiviert und gibt uns gleich viele wertvolle Informationen für Aktivitäten vor Ort. Unter anderem ist der Tipp dabei, noch heute Abend ins Playhouse direkt neben dem Campingplatz zu gehen. Dort treten just heute die “Men in the Deeps” auf – eine Gruppe ehemaliger Kohleminenarbeiter, die über ihre Leben als Minenarbeiter singen. Nach kurzer Besprechung folgen wir dem Tipp und bekommen dank Christines Verhandlungsgeschick sogar noch recht akzeptable Plätze im beinahe vollständig ausverkauften Playhouse. Bis zur Vorstellung haben wir nur noch ca. eine Stunde, die wir unten am Hafen verbringen.

Was die “Men in the Deeps” angeht, kann ich nur sagen: Wow! Das hat sich absolut gelohnt! Die Gruppe besteht aus einigen älteren Herren überwiegend mit Bierbauch und einer unschlagbaren Motivation. In ihren instrumental unterlegten A Capella Stücken erzählen sie von ihrem früheren Leben als Minenarbeiter in den Kohlebergwerken rund um Sydney. Auch andere Regionen Canadas und das Schicksal anderer Arbeiter in den USA beziehen sie in ihre Songs mit ein. Die Stücke sind häufig traurig und gehen mir vom Inhalt her teilweise richtig nahe. Aber auch lustige Songs sind dabei und einer erzählt sogar eine Reihe von Witzen, von denen ich allerdings sprachlich nicht alle verstehe.

Alles in allem erleben wir an diesem Abend ein Stückchen lokale Kultur, was mich unheimlich fasziniert. Am Ende kommen wir sogar noch kurz mit zwei der Herren ins Gespräch. Sie erzählen uns, dass die Minen um Sydney inzwischen zwar längt geschlossen sind, es aktuell aber Hoffnung auf Eröffnung einer neuen großen Mine unter dem Meer gäbe. Diese könnte für die nächsten 50 Jahre viele Arbeitsplätze sichern.

Mit diesem Erlebnis hatte der zunächst mit trübem Wetter und einem abgebrochenen Cabot Trail begonnene Tag doch noch ein unvergessliches Ereignis zu bieten gehabt. Manchmal bring so etwas eben der Zufall mit sich!

Tag 16: Auf dem Sunrise Trail

Heute geht die Fahrt weiter auf dem Sunrise Trail in Richtung Cape Breton Highlands National Park. Auf dem Weg halten wir am Brule Shore, an dem man laut Lonely Planet Seehunde beobachten kann. Tiere sehen wir zwar keine, die kleine Marina mit den farbigen Cottages direkt am Strand ist aber den Stopp auf jeden Fall wert.

In River John fragen wir in einer Tourist Info nach den Seehunden. Auf die Auskunft hin biegen wir auf eine Stichstraße zum Cape John ab. Ganz am Ende der Straße entdecken wir von einem kleinen Hafen aus tatsächlich Seehunde auf einem Felsen im Wasser ganz in der Ferne. Wir lassen den RV stehen und laufen ein Stück am Strand entlang bzw. klettern über die Felsen. Von einer kleinen Landzunge aus können wir die Tiere sehr schön beobachten und fotografieren. Als wir uns maximal nähern retten sich die meistens ins Wasser. In sicherem Abstand schwimmen sie um uns herum, wobei es sehr lustig aussieht, wie immer wieder ihre Köpfe auftauchen und sie uns mindestens genauso neugierig beobachten wie wir sie. Der kurze Abstecher hat sich jedem Fall gelohnt.

Zurück beim RV setzen wir unsere Fahrt in Richtung Pictou fort. Spontan entscheiden wir uns gegen einen Stopp dort und fahren weiter bis New Glasgow. Dort kehren wir mal wieder in ein Wendy’s ein und genießen einen Donut zum Nachtisch. Dann noch kurz zum Canadian Tire, um nach einem Ersatzteil zu schauen – allerdings ohne Erfolg. Anschließend steuern wir einen Campingplatz am Bras D’Or Lake an. Heute mal etwas früher als bisher. Allerdings fahren wir am ersten ausgewählten Platz vorbei und schlagen unser Lager schließlich in der Nähe der Stadt Baddack auf. Dort ist ein wenig Rangierarbeit notwendig, um den RV einigermaßen eben aufzustellen.

Nachdem alles steht, überlegen wir kurz, noch in die Stadt zu fahren. Unseren RV wollen wir für die 5 km aber nicht mehr bewegen. Also fragen wir nach einem Taxi un bekommen die erstaunte Antwort: “Oh no, we don’t have taxis here!” – Tja, welcome to the wilderness… Die Frau vom Campingplatz legt sich aber noch richtig ins Zeug und meint sie würde uns Bescheid geben, falls jemand anderes uns auf dem Weg in die Stadt mitnehmen könnte.

Wir verwerfen die Idee mit der Stadt aber schnell und gehen statt dessen kurz zum Strand des Sees, an dem der Campingplatz liegt. Besonders weit laufen kann man hier aber nicht, weshalb wir recht schnell zum RV zurückkehren. Dort gibt’s Spaghetti-Resteessen und wir lassen den Tag wie üblich langsam ausklingen.

Tag 15: Auf nach Nova Scotia

Wir stehen heute mal wieder etwas später auf, nachdem wir an den letzten Tagen zwangläufig immer recht früh dran gewesen waren. Nach dem Frühstück fahren wir los in Richtung Fredricton bzw. Nova Scotia. Wieder geht es auf dem Hwy 105 am St. John River entlang. Durch Fredericton fahren wir allerdings nur durch und halten für die Absprache der folgenden Strecke nur kurz an. Dabei haben wir wieder einmal eine lustige Begegnung: Während wir im Wohnmobil sitzen und die Karte studieren kommt ein Polizist auf uns zu und fragt uns erstmal in aller Ruhe wo wir hinwollen. Er erklärt uns verschiedene Optionen und meint dann auf ein Schild am Straßenrand deutend: “It’s a 100$ fine site where you are, that’s why I came over for you!” Das alles sagt er aber mit einer Freundlichkeit und Gelassenheit, die ich mir bei einem deutschen Ordnungshüter in einer solchen Situation absolut nicht vorstellen kann.

Wir fahren noch einmal durch das Zentrum von Fredericton und biegen dann wieder ab auf den Hwy 105 weiter in Richtung Moncton bzw. Nova Scotia. Unterwegs halten wir am St. John River für ein Spaghetti-Mittagessen an.

Kurz vor Moncton legen wir einen Tank- und Telefonstopp ein und genießen typisch amerikanisch ein Milkshake von Dairy Queen. Außerdem wird noch kurz in einem Liquor-Store geshopt. Generell kann man Alkohol in Canada nur in speziellen Geschäften und nicht wie bei uns im Supermarkt kaufen.

Unterwegs statten wir wir zudem dem Magnetic Hill einen Besuch ab. Das ist eine Straße, auf der das Auto im Leerlauf scheinbar rückwärts den Berg hinauf rollt. In Wirklichkeit ist dieser Effekt auf eine optische Täuschung zurück zu führen. Die Straße ist abschüssig, wirkt aber als ob sie den Berg hinauf geht. Das Ganze ist ein netter Gag, mit dem sich natürlich vor Ort schön Geld verdienen lässt. Eigentlich ist es aber nichts besonderes.

Für das Spektakel hatten wir in einen kleinen Park neben einem Vergnügungspark fahren müssen. Die eigentliche “Illusion” oder vll. besser “Confusion” kommt aber offensichtlich erst auf dem Weg nach draußen: Wir müssen eine ganze Weile nach der Ausfahrt suchen und sogar eine überdachte Brücke mit nur 3,80 Meter Durchfahrtshöhe überqueren. Aber die Klimaanlage bleibt auf dem Dach und wir können unsere Fahrt nach Nova Scotia fortsetzen.

Ein Stück geht es über den kilometerlangen schnurzgeraden Highway bis wir die Grenze zu Nova Scotia überqueren. Beim Welcome Center halten wir kurz an, um uns mit aktuellen Informationen zu versorgen. Dann geht die Fahrt weiter auf dem Sunrise Trail entlang der Northumberland Strait an der Nordküste von Nova Scotia. In Pugwash biegen wir von Hwy 6 auf eine kleinere Straße zum Meer hinunter ab und finden einen sehr schön gelegenen Campingplatz, auf dem wir gerade noch den letzten Stellplatz ergattern.

Nach unseren Baked Potatoes aus der Mikrowelle gehen wir noch zum Meer hinunter, um dort ein wenig entlang zu laufen. Unten am Strand sitzt eine Familie um ein Lagerfeuer, die uns sofort ansprechen und uns einladen, sich zu ihnen zu gesellen. Die Einladung nehmen wir gerne an und unterhalten uns kurz mit ihnen. Da sie aus der Gegend sind, können sie uns wertvolle Tipps für den Cabot Trail und das geplante Whalewatching geben. Die Offenheit der Kanadier zeigt sich auch hier wieder. Wer würde Fremde in Deutschland so ansprechen und sich spontan so nett mit ihnen unterhalten? Sie sind glaube ich fast enttäuscht, dass wir uns nicht sofort zu ihnen setzen. Mir gefällt diese Mentalität jedenfalls sehr gut.

Nach der netten Begegnung kehren wir zum Wohnmobil zurück und lassen den Abend bei einem Glas Wein ausklingen.

Tag 14: Fahrt durch New Brunswick

Weil wir nach Möglichkeit bereits einen Platz auf der ersten Fähre nach Rivière-du-Loup ergattern wollen, verlassen wir heute in aller Frühe den Campingplatz und fahren zum Fähranleger. Dort stehen allerdings bereits einige Trucks in der Schlange. Offensichtlich nimmt ein Großteil des Schwerlastverkehrs die Fährverbindung, statt über Quebec City und die Brücke dort zu fahren. Entsprechend haben die Trucks auch Vorrang beim Beladen der Fähre. Obwohl wir über 1 1/2 Stunden vor Abfahrt dort waren, kommen wir leider nicht mehr auf die 9:30 Uhr Fähre und müssen die Zeit bis zur nächsten um 13:00 Uhr vertreiben. Dank Waschmöglichkeit, WLAN und Regenwetter fällt uns das allerdings nicht weiter schwer. Eigentlich finde ich die kleine Pause sogar gar nicht so schlecht. Klar kostet sie uns wertvolle Zeit, aber bisher waren wir doch sehr hektisch unterwegs und immer ein wenig unter Zeitdruck. Vier Wochen sind für ein Land wie Canada oder sogar nur einen kleinen Teil davon eben gar nichts.

Kurz vor 13 Uhr dürfen wir dann auf die Fähre, die wenig später auch schon ablegt. Das Wetter ist weiterhin nicht besonders gut und vom Deck aus kann man nicht sehr weit sehen. Deshalb verbringen wir den Großteil der Überfahrt im wärmeren Saloon. Nach etwa 1 1/4 Stunden erreichen wir Rivière-du-Loup und dürfen kurz darauf von Bord. Wir fahren gleicht weiter in Richtung Fredericton und überqueren bald die Grenze nach New Brunswick. Endlich ist alles wieder primär auf Englisch und auch der französische Flair schwindet Stück für Stück. Außerdem wird der Sprit wieder günstiger.

Das Wetter ist weiterhin leider ziemlich schlecht und es regnet immer wieder. Trotzdem entscheiden wir uns dazu, die als schöner angegebene Route entlang des St. John Rivers zu nehmen, statt den Trans-Canadian-Hwy nach Fredericton hinunter zu brettern. Die Straße ist zwar wesentlich schlechter – nach dt. Maßstab gleicht sie eher einem halbherzig asphaltierten Feldweg mit 2 Spuren – aber man sieht eben auch mehr. Allerdings hält sich die Aussicht wegen des Regenwetters in Grenzen. Mit den Durchfahrten durch kleinere Ortschaften ab Hartland lohnt sich der geringfügige Umweg aber schon. In Hartland selbst steht die längste vollständig überdachte Holzbrücke der Welt – zumindest behaupten das unsere Reiseführer und die Infotafel an der Brücke. Kurz nach Woodstock, der nächsten Siedlung nach Hartland, steuern wir einen Campingplatz an. Durch die Zeitumstellung zwischen Quebec und New Brunswick haben wir ja eine Stunde verloren.

Letztlich landen wir zwar auf einem anderen Campingplatz als den, den wir ursprünglich herausgesucht hatten. Der Platz liegt aber so schön am Wasser, dass er uns spontan gefällt. Überhaupt ist das ein Beispiel, dass man viel mehr die Freiheit des Wohnmobils ausnutzen sollte und weniger planen. An solchen Details merke ich schon deutlich den Unterschied zwischen dem Reisen in der Gruppe bzw. mit den Eltern und dem Alleinunterwegssein.

Zum Abendessen kochen Christine und meine Mutter die Glasnudeln, die Christine mitgebracht hatte. Anschließend setzen wir uns zur Planung unserer weiteren Route zusammen. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob wir Prince Edwards Island auslassen und direkt nach Nova Scotia weiterfahren oder nicht. Mein Vater hätte PEI wohl gerne gesehen und befürchtet ein wenig, am Ende zu viel Zeit auf Nova Scotia zu haben. Der Rest von uns denkt eher umgekehrt und will sicher gehen, dass es auf Nova Scotia nicht so hektisch zugeht wie in den vergangenen zwei Wochen. Die Besprechung verläuft ein wenig zäh und mühsam und am Ende kommt die Entscheidung zustande, tatsächlich direkt nach Nova Scotia weiter zu fahren. Leider ist die Stimmung ein wenig angespannt durch die unnötige Härte der Diskussion. Mit der Hoffnung auf Besserung und vor allem auch besseres Wetter gehen wir wieder einmal recht spät ins Bett.

Tag 12: Umgebung von Quebec City

Von Québec City aus fahren wir heute zunächst auf die Île d’Orleans. Dort folgen wir der Panorama-Straße rund um die Insel. Da das Wetter weiterhin allerdings nicht besonders gut ist, hält sich die Aussicht in Grenzen. Statt dessen beschränken wir uns auf das, was die Insel selbst und ihre vielen kleinen Dörfer zu bieten haben: In einem Weingut auf dem Weg probieren wir uns durchs Sortiment und kaufen anschließend kräftig ein. Hier gibt es auch den berühmten Eiswein von Québec, von dem wir natürlich auch eine Flasche mitnehmen ;-). Ansonsten halten wir immer wieder an bzw. lassen die Umgebung während der Fahrt auf uns wirken.

Zurück auf dem Festland fahren wir direkt zum Chutes Montmorency. Dieser Wasserfall ist höher als die Niagara Falls und durchaus sehr beeindruckend. Unsere Regencapes von den Niagara Falls können wir auf einem kleinen Spaziergang sehr gut gebrauchen: Man läuft auf angelegten Stegen und Treppen direkt am Wasserfall entlang und wird dort kräftig nass. Natürlich tobe ich mich kräftig mit meiner Kamera aus und laufe sogar noch ein Stück weiter als der Rest, um auch noch Bilder von der anderen Seite des Wasserfalls aus zu machen.

Nachdem wir einige Zeit hier zugebracht haben, geht die Fahrt weiter entlang des nördlichen Ufers des St. Lawrence Stroms in Richtung Tadoussac. Dort bzw. im davor liegenden St. Simeón wollen wir wie Jan auf seiner Reise im Sommer letzten Jahres am nächsten Tag mit der Fähre ans andere Ufer übersetzen, von wo die Fahrt weiter durch New Brunswick nach Nova Scotia gehen wird.

Kurz nach dem Wasserfall Chute Montmorency halten wir zum Einkaufen und kehren in ein interessantes Restaurant ein, das mich sehr an Brasilien erinnert: Zunächst suchen wir es aus, weil wir alle Lust auf Pizza haben. Dann stellt sich jedoch heraus, dass es hier All-you-can-eat vom Buffet gibt. Pizza ist zwar auch dabei, aber daneben gibt es noch viele andere gute Dinge. Also verbringen wir hier einige Zeit und schlagen richtig zu. Auf dem Rückweg zum RV kommen wir wieder an der Straßenarbeiterin vorbei, die mit einer Signalflagge in der Hand wie wild dabei ist, den Verkehr zu regeln. Schon auf dem Weg zum Restaurant mussten wir an dieser Stelle zu Fuß die Straße überqueren, da wir nicht wie der typische Kanadier den kurzen Weg von einem Parkplatz zum anderen mit dem Auto, sondern zu Fuß zurücklegten. Baustellen auf dem Highway haben hier in Canada schon etwas komisches: Auf der einen Seite ein so fortschrittliches Land, auf der anderen Seite wird der Verkehr von Angestellten anstatt durch Ampeln geregelt. Vielleicht ist das eben eine Methode, um die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten – immerhin mit Erfolg, denn in Canada liegt die bei ca. sechs Prozent.

Nach der langen Mittagspause geht die Fahrt weiter in Richtung Tadoussac. Die Straße führt uns ein gutes Stück weg vom St. Lawrence Strom und die Landschaft wird deutlich bergiger. Man bekommt fast den Eindruck als sei man in den Alpen. Die Straße geht auf und ab und wir liefern uns immer wieder kleine Rennen mit den Monstertrucks, die hier – wie überall im Land – auf den Highways unterwegs sind. Bergauf überholen wir sie, bergab donnern sie dann im Leerlauf wieder an uns vorbei. Und jedes Mal winken uns die Fahrer belustigt zu ;-).

St. Simeón erreichen wir erst am Abend und stellen unseren RV gleich auf einem Campingplatz ab. Anschließend erkundigen wir uns telefonisch nach der Fähre, mit der wir am nächsten Morgen auf die andere Seite des St. Lawrence Stroms übersetzen wollen. Wir bekommen die Auskunft, dass wir möglichst früh am Fähranleger sein sollten, um überhaupt einen Platz für die Überfahrt zu ergattern. Um die Lage vor Ort zu checken, laufen wir noch zum Anleger hinunter und beschließen, am nächsten Morgen schon über eine Stunde vor Ankunft der Fähre dort sein zu wollen.

Tag 11: Quebec City

Heute müssen wir sehr früh aufstehen, um Christine vom Flughafen abzuholen. Sie kommt pünktlich an und auf dem kleinen Flughafen halten sich die Kontrollen auch in Grenzen. Ein kleines Abendteuer erleben wir noch, als wir den Flughafen wieder verlassen wollen: An der Ausfahrt des Parkplatzes sind wir uns nicht sicher, ob die Höhe des Tores mit der unseres RVs kompatibel ist. Also fragen wir den Parkplatzwächter, aber leider läuft die Konversation in Ermangelung seiner Englischkenntnisse eher schleppend auf Französisch und mit Händen und Füßen ab. Letzten Endes werden wir von einem Security-Fahrzeug vom Parkplatz eskortiert :-).

Wir fahren direkt auf einen Campingplatz außerhalb der Stadt, der wie schon in Montréal recht weit ab vom Schuss liegt. Die Infrastruktur in Canada ist eben einfach für Camper mit riesigen RVs und eigenem Auto im Schlepptau ausgelegt. Wir dagegen müssen immer ein Taxi oder eine andere Mitfahrgelegenheit organisieren, um nicht mit dem RV in die Stadt fahren zu müssen. Hier gelingt uns das recht einfach, da vom Campingplatz ein Shuttle-Service angeboten wird.

Nachdem wir unseren RV abgestellt haben, fahren wir praktisch sofort in die Stadt. Das Wetter ist sehr durchwachsen und es weht ein sehr starker Wind. Oben beim Château Frontenac könnte man ihn durchaus als Sturm bezeichnen. Dieses Hotel ist das wohl meist fotografierte der Welt und wurde 1893 gebaut. Im zweiten Weltkrieg wurde hier der D-Day durch MacKenzie King, Winston Churchill und Franklin Roosevelt geplant. Natürlich werfen wir einen Blick in die Lobby der berühmten und sehr luxuriösen Unterkunft und machen auch einen kleinen Abstecher auf den Boardwalk direkt hinter dem Hotel. Hier steht man direkt am Abhang der Upper Town und kann sehr schön auf Lower Town hinunter sehen. Allerdings ist der Wind so stark, dass wir uns nicht allzu lange hier aufhalten.

Als nächste Station kehren wir zum Mittagessen in ein kleines Restaurant in einer der vielen Gassen der Altstadt ein. Das Essen ist gut und schon hier gefällt uns der Flair der Stadt, der so viel eher den Erwartungen an eine “typisch französische Stadt” in Mitten Canadas entspricht. Nach dem Essen bummeln wir kreuz und quer durch die Altstadt und Quartier Latin und ich muss sagen, im Vergleich zu Montréal hat diese Stadt einen richtig eigenen Charakter. Mir gefällt es hier jedenfalls sehr gut und am Nachmittag bessert sich sogar noch das Wetter, was dem Stadtbummel natürlich sehr entgegenkommt.

Nachdem wir den Großteil der Altstadt gesehen haben, steigen wir hinunter in die Lower Town und laufen dort die Rue du Petit Champlain entlang. Hier finden sich viele kleine Geschäfte mit Kunsthandwerk und Ateliers der zugehörigen Künstler. Außerdem treffen wir auf Straßenmusikanten und genießen von der Hafenpromenade aus den Blick hinauf zur Upper Town, die mit dem Château Frontenac regelrecht über der Lower Town thront.

Zurück in Upper Town machen wir noch einen Abstecher zur Zitadelle und laufen ein Stück auf der Stadtmauer entlang. Der Wind ist hier oben natürlich wieder extrem stark und das Wetter verschlechtert sich auch wieder ein wenig. Am Spätnachmittag fängt es dann sogar wieder an zu regnen. Trotzdem halten wir zunächst noch an dem Plan fest, bis zum Abend in der Stadt zu bleiben. Ich möchte gerne den Flair in Abendstimmung genießen, was uns auch Jan und Elena sehr nahe gelegt hatten. Weil wir aber alle genug vom Laufen haben, kehren wir noch einmal zurück in die Lower Town, um dort nach einem Café zu suchen. Auf dem Weg fängt es allerdings heftig an zu regnen und als wir in Lower Town nicht gleich fündig werden, beschließen wir die Sache abzubrechen und mit dem Taxi zum Campingplatz zurück zu fahren. Ich bedaure das ein wenig, bei dem schlechten Wetter wäre es mit der Abendstimmung aber vermutlich auch nicht allzu weit hergewesen.

Insgesamt hat mir Québec City um Faktoren besser gefallen als Montréal. Die Stadt besitzt einen Flair, der den Erwartungen an eine französische Stadt viel eher gerecht wird und die engen Gassen in der Altstadt laden richtig zum Bummeln ein. Wie schon in Montréal hatten wir insgesamt einfach viel zu wenig Zeit, um die Stadt im Detail kennen zu lernen. Aber auf der anderen Seite wollen wir ja auch weiter in Richtung Nova Scotia und unsere Urlaubszeit ist leider nun einmal beschränkt…

Tag 10: Montreal

Trotz des Verbots unseres Vercharterers stellen wir heute nach dem Frühstück unseren RV auf einem Parkplatz bei der U-Bahn-Station Longueuil ab und fahren mit der Metro in die Stadt. Zuerst schlendern wir ein wenig durch das Viertel rund um die Basilique Notre-Dame. Diese ist aktuell für Touristen noch geschlossen, so dass wir hier später noch einmal vorbei kommen wollen. Anfangs gefällt uns das Viertel hier nicht besonders. Die Straßen und Gebäude wirken ein wenig heruntergekommen und es fehlt irgendwie der Flair, den man im französischen Canada erwartet.

Die Promenade des Artistes lassen wir aus, weil hier so früh am Tag noch nicht allzu viel Leben herrscht. Statt dessen folgen wir der Rue St. Paul weiter bis zur Chapelle Notre-Dame-de-Bonsecours und dem Marche Bonsecours. Durch letzteren laufen wir kurz durch, wobei auch er nicht besonders viel zu bieten hat. Weiter geht es zum Place Jacques Cartier. Hier gefällt es mir das erste Mal seit wir unsere Tour durch Montreal begonnen haben. Es ist ein Platz, der von Cafes umzingelt ist und auf dem richtiges Leben herrscht. Von hier aus kann man das Hotel de Ville bereits sehen, das Rathaus, von wo aus Frankreichs Präsident Charles de Gaulle 1967 der Menge zurief: “Vive le Québec libre!” Ein wenig schade ist lediglich, dass das gesamte Gebäude zwecks Renovierungsarbeiten eingerüstet ist.

Auf einem kleinen Platz neben dem Hotel de Ville legen wir eine kurze Pause ein, um unsere weitere Tour durch Montreal zu besprechen. Viel Zeit haben wir ja leider nicht, da wir morgen früh bereits Christine in Québec City abholen müssen. Wir entscheiden uns, nach einem zweiten Abstecher zur Basilique Notre-Dame zuerst in Richtung Downtown Montreal zu gehen, um dem Eaton Center einen Besuch abzustatten. Unter Montreal ziehen sich kilometerlang Einkaufspassagen, die zusammen eine richtige Stadt im Untergrund ergeben. Das Eaton Center ist eines der Zentren dieses Shopping-Mekkas. Leider haben wir allerdings viel zu wenig Zeit, um auch diese Seite der Stadt intensiv kennen zu lernen.

An der Basilique Notre-Dame, die wir uns jetzt auch von innen anschauen können, führt uns unser Weg durch Chinatown nach Downtown Montréal. Chinatown macht auf mich einen schöneren Eindruck als in Toronto. Ein kleiner Abstecher führt uns sogar noch über einen kleinen Basar, auf dem alle möglichen Ramsch-Artikel aus chinesischer Produktion verkauft werden. Außerdem werden wir Zeuge der aufwändigen Aufbauarbeiten für das Festival International de Jazz, das Ende Juni, Anfang Juli hier stattfindet. Dann erreichen wir das Eaton Center und schauen uns kurz darin um. Wie gesagt, leider haben wir nicht genug Zeit, um die “Stadt unter der Stadt” besser kennen zu lernen.

Nach dieser kurzen Halbtagestour durch die Stadt fahren wir mit der Metro hinaus zum Olympic Park, in dem 1976 die Olympischen Sommerspiele stattfanden. Das ehemalige Velodrom, heute Biodôme genannt, ist in eine Biosphäre verwandelt worden, in der alle Ökosysteme der Erde nachgebildet sind – inklusive der dort lebenden Tiere. Dieser “Zoo der etwas anderen Art” ist sehr schön gemacht und wir halten uns hier einige Zeit auf. Mir gelingen auch einige tolle Fotos, vor allem von einem Meerkatzen-ähnlichen Tier, dessen korrekte Spezies ich nicht mehr weiß :-).

Neben dem Biodôme kann man im Olympic Park noch auf den Tour de Montréal hinauffahren, das größte, schräg stehende Gebäude der Welt (190 Meter bei 45 Grad Neigung). Von hier haben wir einen schönen Überblick über die Stadt, die einem von oben flach wie ein Pfannkuchen vorkommt.

Zum Abschluss unseres Besuchs in Montréal legen wir noch einmal einen kurzen Stopp auf der Île Ste-Hélène ein und schauen uns die Biosphére noch aus der Nähe an. Diese beeindruckende Stahlkonstruktion wurde für die Expo 1967 gebaut. Bei einem Brand ist die äußere Haut zerstört worden, so dass heute nur noch die Stahlträger erhalten sind. Im Inneren wurde eine Ausstellung über das Ökosystem der Great Lakes und des St. Lawrence Stroms eingerichtet, die wir aus Zeitgründen allerdings nicht mehr besuchen können.

Insgesamt hat mir Montréal nicht so gut gefallen wie Toronto und Ottawa. Es fehlt der Stadt nach meinem Eindruck einfach ein wenig an Flair, den man gerade im französischen Teil Canadas erwarten würde. Allerdings hatten wir definitiv viel zu wenig Zeit, um die Stadt im Detail kennen zu lernen. Von daher werde ich vermutlich irgendwann noch einmal hier her zurück kommen, um auch die Ecken und Sehenswürdigkeiten besuchen zu können, die wir dieses Mal leider auslassen mussten…

Zurück beim RV fahren wir weiter nach Québec City, wo wir früh am nächsten Morgen Christine vom Flughafen abholen werden.

Tag 9: Ottawa

Heute müssen wir zeitig aufstehen, weil wir die “Change of the guard” vor dem Parlamentsgebäude sehen wollen. Nach dem Frühstück müssen wir aber erst noch einen kostenlosen Abstellplatz für unseren RV beim “Campingplatz-Opa” raushauen, was uns auch erstaunlich problemlos gelingt. Dann machen wir uns auf den Weg in die Stadt. Vor der Einfahrt zum Campingplatz steht ein Taxi, dessen Fahrer sofort angelaufen kommt als wir auch nur kurz zögern. Da mein Vater der Meinung ist, dass es mit dem Bus eng würde, um rechtzeitig am Parlamentsgebäude zu sein, fahren wir einmal mehr mit dem Taxi in die Stadt.

Dort angekommen gehen wir auf direktem Weg zum Parlamentsgebäude, wo auch schon einige Leute herumstehen und auf die Show warten. In der Zwischenzeit organisiere ich noch eine Tour durch das zentrale Gebäude der Anlage und dann warten wir auf die Ankunft der Soldaten. Vor der Absperrung füllt es sich nach und nach mit Touristen und nach einiger Zeit beginnt die Parade mit dem Einzug der Soldaten. Das ganze Spektakel ist das frühe Aufstehen auf jeden Fall wert. Während der ca. 20 minütigen Parade werden symbolisch die Waffen der Wachablösung kontrolliert und der Schlüssel für die Waffenkammer übergeben. Außerdem wird natürlich zur kanadischen Nationalhymne salutiert. Insgesamt schon irgendwie ein ergreifendes Erlebnis, zumal mir in Deutschland ein gesunder und auch praktizierter bzw. zur Schau gestellter Nationalstolz schon irgendwie fehlt. Hier in Canada wird er eben ähnlich wie in den USA fast ein wenig zu sehr ausgelebt.

Nach der “Change of the guard” machen wir die Führung durch das Parlamentsgebäude mit. Wir dürfen Blicke in die Sitzungssääle des House of Commons und des Senats werfen und es werden viele Details zu den Skulpturen und Symbolen erklärt, die überall im Gebäude zu finden sind und jeweils eine ganz bestimmte Bedeutung haben. Besonders die Zusammenhänge zwischen den Symbolen und den historischen Hintergründen faszinieren mich. Gerade wo wir in Europa doch recht wenig über die Geschichte Canadas wissen, weil im Geschichtsunterricht eher die USA im Vordergrund stehen. Etwas schade ist das Tempo, in dem wir während der Führung durchs Gebäude gelotst werden. Man hat kaum Zeit, über das Erwähnte nachzudenken oder Fotos zu machen.

Nach der Führung können wir uns noch auf eigene Faust im Gebäude umsehen, in die Sitzungssääle kommt man allerdings nur während der Führung hinein. In der großen Halle in der Mitte des Gebäudes sind das Portrait eines Politikers und viele Flaggen mit Trauerbändern aufgestellt, sowie Kondolenzbücher ausgelegt. Als ich mir eines der Bücher näher anschaue, spricht mich ein Officer an und so erfahre ich, dass der Grund für die Trauerbeflaggung der Tod des General Gouvernor vor wenigen Tagen ist. Der General Gouvernor ist in Canada der direkte Repräsentant der Queen, die in der konstitutionellen Monarchie theoretisch immer noch das Staatsoberhaupt ist. Faktisch hat sie allerdings keinerlei politische Macht mehr, was somit auch für den General Gouvernor gilt. Trotzdem bedeutet dieser der Bevölkerung natürlich sehr viel, was ich auch daran merke, dass mir eine andere Officer beinahe mit Tränen in den Augen meine Frage nach dem genauen Todestag des General Gouvernor beantwortet.

Überhaupt ist die Bedeutung der Queen in Canada wesentlich größer als wir Außenstehenden das vermutlich für möglich halten. So wurde uns bei der Führung unter anderem erklärt, dass das Portrait von Queen Victoria mehrfach von der Bevölkerung vor Bränden gerettet wurde – unter Einsatz des eigenen Lebens. Einmal passte der Rahmen nicht durch die Tür und so wurde es von seinem Retter kurzer Hand mit einer Schere aus dem Rahmen geschnitten. Noch heute ist das an einen Schnitt im Bild und einem fehlenden Buchstaben zu erkennen.

Wir fahren noch auf den Peace Tower, der dem Londoner Big Ben täuschend ähnlich sieht. Zu allem Überfluss spielen die 53 (?) Glocken des Turms zu jeder Stunde sogar die “Westminster Chimes”. Auch hier wird also die Verbundenheit Canadas zu London erkenntlich. Von hier oben haben wir eine tolle Aussicht über die Stadt und können z.B. gut die Schleusenanlage des Rideau Channel und das Museum of Civilization erkennen.

Nach dem Tower werfen wir noch einen Blick in die Memorial Hall, in der die Namen der Soldaten aufgelistet sind, die in den Kriegen gefallen sind, an denen Canada beteiligt war. Hier halten wir uns allerdings nicht lange auf und verlassen kurz darauf das Parlamentsgebäude und Parliament Hill. Dieser Teil von Ottawa hat mir definitiv am besten gefallen, weil ich die Besichtigung von so bedeutenden Staatsgebäuden immer sehr interessant finde.

Leider ist unsere Zeit in Ottawa sehr begrenzt, da wir noch an diesem Abend in Montréal das “Feux L’international de Loto Quebec” sehen wollen, laut Lonely Planet eines der schönsten Feuerwerke der Welt. Außerdem wollen wir unsere Reise ja fortsetzen und müssen am 29. Juni Christine in Quebec City abholen. Deshalb schauen wir uns nur noch ein wenig in der Stadt um, bummeln noch einmal durch die Straßen, die uns am Vortag bei Nacht so gut gefallen hatten und laufen ein Stück in Richtung der Brücke zur Insel, auf der u.a. das Museum of Civilization liegt. Ich will das Gebäude einfach noch etwas aus der Nähe bewundern bzw. fotografieren. Auf dem Rückweg in Richtung Parliament Hill laufen wir an den Schleusen unterhalb des Hotels Chateau Laurier entlang. Dann müssen wir uns auch schon auf den Rückweg zum Campingplatz machen, für den wir wieder den Bus nehmen wollen.

Ottawa hat mir sehr gut gefallen und wir hätten gut noch einen oder zwei Tage mehr hier verbringen können. Ich war auch sicherlich nicht das letzte Mal hier.

Auf dem Campingplatz angekommen machen wir uns auch gleich wieder auf den Weg in Richtung Montréal. Die Fahrt dorthin verläuft weitestgehend ereignislos und wir erreichen die Stadt bzw. ihre Außenbezirke gegen 18:00 Uhr. Nach ein wenig Suchen finden wir auch den ausgewählten Campingplatz, der laut Campingführer per Zug an die Stadt angebunden sein sollte. Dort angekommen erfahren wir allerdings, dass die Anbindung bei weitem nicht so gut ist. Man müsste noch einige Kilometer mit dem Auto bzw. RV zur Station fahren, womit wir wieder das Problem mit dem Abstellen des RV hätten, das wir in den Städten Ottawa, Montréal und Quebec gerade vermeiden wollen. Einmal mehr bleibt uns nichts anderes übrig, als mit dem Taxi in die Stadt zu fahren, zumal wir nicht allzu viel Zeit bis zum Beginn des Feuerwerks haben.

Auf der Fahrt in die Stadt erfahren wir, dass die Brücke auf die Insel, auf der das Feuerwerk stattfindet wohl bereits gesperrt ist. Deshalb setzte uns der Taxifahrer an der U-Bahn-Station ab, von der wir auf die Insel fahren können. Dort angekommen fragen wir uns durch bis zum besten Standort für das Feuerwerk. Dabei erhalten wir allerdings mal wieder völlig widersprüchliche Auskünfte und müssen ein ganzes Stück bis laufen, bis wir auf der Brücke oberhalb des “La Ronde” Vergnügungsparks ankommen. Ein Problem beim Verstehen der Auskünfte war aber auch gewesen, dass ich “La Ronde” mit der Expo-Kugelkonstruktion verwechselt habe.

An der Brücke angekommen, frage ich noch einmal zwei Polizisten in ihrem Streifenwagen, ob man als Fußgänger auf die Brücke darf. Als Antwort bekomme ich etwas belustigt: “Yeah, we’re here for blocking the bridge for you guys!” Als ich auch noch frage, ob man von da oben eine gute Sicht auf das Feuerwerk habe, meinen sie: “Well, you have a direct sight on it from there. There’s no better place to go!” Damit haben wir alle Antworten zusammen und suchen uns auf der Brücke ein Plätzchen, um das Feuerwerk abzuwarten.

Pünktlich um 22 Uhr beginnt die Show und ich muss sagen, es ist wirklich eines der besten, die ich jemals gesehen habe. Die Show dauert 30 Minuten und bis auf ein einziges Mal gibt es keine nennenswerte Unterbrechung und ein 30 Minuten andauerndes Feuerwerk ist an sich schon beeindruckend. Dazu wurden die Raketen und Lichteffekte durchweg sehr gut ausgewählt.

Nach dem Feuerwerk machen wir uns auf den Heimweg und laufen einem Hinweis eines Polizisten nach die Brücke entlang, bis wir bei der U-Bahn-Station herauskommen, an der uns das Taxi am Abend abgesetzt hatte. Von dort fahren wir wieder mit einem Taxi zum Campingplatz. Allerdings ein wenig auf Irrwegen: Als wir dem Taxifahrer vor dem Einsteigen die Adresse des Campingplatzes zeigen, muss dieser sich erstmal von einem Kollegen den Weg erklären lassen. Unterwegs nimmt er dann eine völlig falsche Ausfahrt, hält wenig später vor einem Geschäft an und meint, er müsse sich bei der Zentrale über den Weg rückversichern. Daraufhin fängt er an, wie wild in einer Art Handbuch zu blättern, das offensichtlich Listen von Straßen enthält. Das System habe ich nicht verstanden, aber zumindest war darin keine einzige Straßenkarte oder auch nur Ausschnitte davon zu erkennen. Als mein Vater unserem Fahrer den Weg erklärt, ist dieser sichtlich erleichtert und liefert uns wenig später doch noch wohlbehalten am Campingplatz ab. Dort fallen wir müde ins Bett. Es war ein langer Tag!

Tag 8: Fahrt nach Ottawa

Nachdem wir uns gestern von Jan und Elena verabschiedet haben, sind wir inzwischen auf dem Weg nach Ottawa, der Hauptstadt Canadas und unserer ersten größeren Stadt nach Toronto. Übernachtet haben wir noch ein letztes Mal im Algonquin Park auf einem Campingplatz am Tea Lake. Von dort fahren wir an diesem Morgen in östlicher Richtung weiter durch den Park. Unterwegs halten wir noch zwei Mal und laufen jeweils einen kurzen Pfad, an deren Beginn es liebevoll gestaltete Flyer mit Informationen über die Flora und Fauna der Region gibt. Jeder Pfad ist einem bestimmten Thema gewidmet. Den ersten suchen wir uns wegen der Aussicht auf den Park von einer Klippe aus heraus, den zweiten wegen der im Reiseführer versprochenen Informationen über die im Algonquin Park lebenden Biber. Beide Pfade sind sehr interessant und wir können noch etwas mehr über den Park und seine Natur lernen.

Dann verlassen wir den Algonquin Park endgültig und machen uns auf den Weg in Canadas Hauptstadt. Bereits unterwegs fallen mir wieder die Flaggen auf, die fast überall auf Halbmast gehisst sind. Bisher konnte ich jedoch noch nicht herausfinden, warum. Entsprechende Fragen nach dem Grund sollten später noch für einige Belustigung sorgen…

Die Fahrt nach Ottawa verläuft bis auf ein Erlebnis weitestgehend ereignislos. Kurz vor der Stadt haben wir mitten auf dem Highway eine interessante Begegnung. Wir hatten zuvor schon mehrfach einen dieser gigantischen Tanklastwagen überholt, der kurz darauf immer wieder erneut an uns vorbei gezogen war. Wir hatten uns sogar noch diesen Monstertruck bewundert, weil solche Geschosse aus Deutschland einfach unbekannt sind. Jedenfalls muss dieser Truck an einer Ampel hinter uns halten und plötzlich steht der Fahrer vor unserem Fahrerfenster und schimpft wie ein Rohrspatz auf meinen Vater ein: “Get the fuck out of my fucking way! I’ll ramm you, if necessary!” Zuerst verstehen wir alle nicht, was er von uns will und als es uns klar wird, müssen wir einfach nur lachen. Vor allem, weil der Typ noch dazu ein sehr crazy Aussehen hatte: Kaum Haare auf dem Kopf und nur etwa 1 1/2 Zähne im Mund. Eine wirklich “irreale” Begegnung :-)…

Auf dem Campingplatz angekommen, checken wir gleich ein und haben dabei noch eine weitere interessante Begegnung: Der Manager des Campingplatzes ist ein älterer Herr, der mit dem ersten Eindruck sofort absolute Kontrolle vermittelt. Es ist unmittelbar klar, dass er alles mitbekommen würde, was auf dem Platz passiert. Wir fragen ihn nach der besten Möglichkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt zu kommen und nachdem er mir verschiedene Möglichkeiten erklärt hatte, fragt er mich mit einem entsprechenden Blick, ob ich es mir aufschreiben wolle. Vermutlich habe ich bei der Erklärung so skeptisch geschaut, dass er im Stillen dachte “Oh that guy won’t remember it anyway!”.

Nachdem wir unseren RV abgestellt und dabei kurz Bekanntschaft mit einem Indianer als Nachbarn gemacht haben (Indianer leben hier in Canada häufig vergleichbar wie unsere Zigeuner), machen wir uns gleich auf den Weg in die Stadt. Natürlich kann ich mich nicht mehr genau an die detaillierten Anweisungen unseres “Campingplatz-Opas” erinnern und deshalb fragen wir erstmal einen Passanten nach der nächsten Bushaltestelle. Nach seinen Anweisungen laufen wir weiter und finden wenig später tatsächlich so etwas wie eine Haltestelle. Allerdings müssen wir feststellen, dass alle Busse, die dort vorbei kommen als “Out of service” gekennzeichnet sind. Also fragen wir erneut einen der Busfahrer und folgen den neuen Anweisungen zurück zur Hauptstraße. Dort besteht die Haltestelle aus einem schlichten Schild auf dem Grünstreifen neben der Straße. Keine Häuschen, keine Haltebucht, nichts – nur ein schlichtes Schild und fertig. Besonders vertrauenserweckend kommt uns die Sache nicht vor, zumal wir auf dem Weg hierher keinen Bus auf dieser Straße hatten fahren sehen. Nach kurzer Ratlosigkeit, halten wir einfach ein Taxi an und lassen uns in die Stadt fahren.

Im Taxi erleben wir zum dritten Mal an diesem Tag etwas kurioses: Ich frage den Taxifahrer, ob er wisse, warum alle Flaggen auf Halbmast gehisst sind. Zunächst reagiert er sehr unwissend, meint dann aber, dass das Parlament derzeit in Ferien sei, was einer der Gründe sein könne ;-). Besonders verglichen mit dem tatsächlichen, tragischen Grund, den wir später bzw. am nächsten Tag noch in vollem Umfang erfahren sollten, ist diese Auskunft doch sehr crazy und sorgt für einige Belustigung bei uns.

Ottawa gefällt uns auf Anhieb sehr gut. Wir streunen ein wenig durch die Stadt und tauchen einfach in ihre Atmosphäre und Lebhaftigkeit ein. Besonders das gigantische Parlamentsgebäude, das beinahe eine Kopie des Londoner House of Parliaments sein könnte, gefällt uns sehr gut. Gerade in der Dämmerung gelingen mir tolle Fotos und ich freue mich schon, am nächsten Tag das Gebäude von innen zu sehen. Außerdem bin ich sehr gespannt auf die “Change of the guards” die wir uns morgen unbedingt anschauen wollen.

Nachdem wir einige Zeit durch die Stadt und um die Parlamentsgebäude gestreunt sind, nehmen wir den Bus zurück zum Campingplatz. Dieser ist auch nochmal ca. eine 3/4 Stunde unterwegs, so dass wir erst recht spät wieder bei unserem RV ankommen.