Ankunft in Puerto Williams

(Nachtrag von Sonntag, 19.01.2014)

Heute steht uns die letzte Etappe entlang des Beagle Channels nach Puerto Williams bevor. Nach der Computer-Reparatur gestern Abend wird aus dem Vorsatz, um 07:00 Uhr aufzustehen natürlich nichts. Um 08:00 Uhr schleiche ich so leise wie möglich auf die Toilette und kuschele mich anschließend wieder in meinen warmen Schlafsack – in der Hoffnung, niemanden geweckt zu haben :-). Gegen 09:00 Uhr kommt dann Leben auf und wie jeden Morgen lichten wir nach einer Runde Kaffee den Anker. Duncan und ich holen die Landleinen ein und hieven das Dinghi an Bord, während sich Molly und Renée um den Anker kümmern.

Die Fahrt aus der Bucht heraus bietet uns einige tolle Ausblicke auf die schneebedeckten Berge nördlich und südlich des Beagle Channels, sowie auf den Gletscher, an dessen Füße wir die letzte Nacht verbracht haben. Verglichen mit den letzten Tagen haben wir heute das beste Wetter. Sogar ein wenig blauer Himmel ist zu sehen und ab und an zeigt sich kurz die Sonne.

Wir nehmen Kurs auf Puerto Williams. Unterwegs überholen wir ein anderes, französisches Segelschiff. Ich bespreche kurz mit Renée und Duncan das weitere Vorgehen nach unserer Ankunft in Puerto Williams. Da wir aber nicht genau wissen, ob wir mit Greg und Molly weiter nach Ushuaia fahren können, kommen wir zu keinem abschließenden Ergebnis. Es ist immer noch die Frage offen, ob Greg Passagiere über die Grenze nach Argentinien mitnehmen darf bzw. welche bürokratischen Hürden dafür zu überwinden sind. Außerdem möchte ich eigentlich einen Tag in Puerto Williams verweilen und ein wenig die Gegend erkunden, bevor ich nach Ushuaia fahre, von wo am 25. Januar mein Bus zurück nach Punta Arenas fährt.

Am frühen Nachmittag genießen wir herrliches Wetter mit teilweise blauem Himmel und Sonnenschein. In diesem Licht ist die Landschaft um uns herum noch spektakulärer als ohnehin schon. Noch dazu frischt der Wind ein wenig auf und wir können eine ganze Weile segeln. Gegen 15:00 Uhr kommt Ushuaia in Sicht und wir ziehen langsam aber stetig an der südlichsten Stadt der Welt vorbei. In wenigen Tagen werde ich wieder hier sein – dann allerdings an Land.

Kurz nachdem wir Ushuaia passiert haben frischt der Wind deutlich auf, so dass wir sogar regten müssen. Mir ist zuvor schon aufgefallen, dass Greg diesbezüglich extrem vorsichtig ist und äußerst frühzeitig refft. Vielleicht liegt das auch daran, dass er die Gegend hier am südlichen Ende der Welt gut kennt.

Am frühen Abend erreichen wir dann Puerto Williams. Am einzigen Anleger, einem zum Teil gesunkenen deutschen Frachtschiff herrscht reger Betrieb. Zunächst ist fraglich, ob wir überhaupt einen Platz bekommen oder ansonsten in der Bucht ankern müssen. Aber dann können wir im Päckchen an einer 63 Fuß langen Segelyacht festmachen. Über zwei weitere Boote erreichen wir so bequemer festen Boden unter den Füßen, als ständig mit dem Dinghi hin und her fahren zu müssen.

Viel passiert heute nicht mehr. Als eine der ersten Amtshandlungen genieße ich eine ausführliche Dusche – nach sieben Tagen ohne ist das wie eine Wiedergeburt ;-). Anschließen drehe ich mit Renée und Duncan noch eine kurze Runde durch das Dorf. Das Abendessen fällt heute flach und wir verkriechen uns bald in unsere Kojen.

Geburtstag, Inseln & Dinghi-Training

(Nachtrag von Donnerstag, 16.01.2014)

Renée hat heute Geburtstag! Deshalb bereiten Molly und ich nach dem Lichten des Ankers ein aufwändigeres Frühstück vor als sonst. Es gibt Pfannkuchen, gebackene Bananen, Melonenstreifen und Brot. Dieses Frühstück toppt die ohnehin bereits ziemlich aufwändige Kocherei auf der Northanger noch einmal deutlich. Diese rührt vor allem von Mollys Hang zu gesunder Ernährung unter Einhaltung zahlreicher esoterischer Regeln her ;-). Ich halte mich da mit meinem Pragmatismus bezüglich Kochen lieber zurück und tue, was man mir sagt…

Was mich allerdings ein wenig nervt ist, dass wir wegen der aufwändigen Kocherei teilweise die unglaublich schöne Szenerie der vorbei ziehenden Landschaft verpassen. Aber man muss sich eben ein wenig der allgemeinen Bordroutine anpassen.

Gerade als das Frühstück fertig ist, passieren wir eine spektakuläre Engstelle in der Inselwelt Feuerlands. Wir genießen zunächst alle den Ausblick und widmen uns anschließend dem Geburtstagsfrühstück.

Auf der weiteren Fahrt begegnen uns immer wieder Seehunde. Das jeweils kurze Auftauchen der bärtigen Köpfe ist ein lustiger Anblick. Meistens schauen sich die Tiere in sicherer Entfernung für einen Moment um und tauchen dann wieder ab.

Etwas später können wir sogar ein wenig die Segel setzen. Trotzdem benötigen wir noch die Maschine, um ausreichend Strecke bei nicht idealem Wind zu machen. So fahren wir unserem heutigen Ziel, der Bucht ??? (Name wird nachgereicht) entgegen.

Bei der Einfahrt in die tief eingeschnittene Bucht mit relativ steil aufragenden Hängen begleiten uns ein paar Delphine. Im Gegensatz zu den Seehunden sind diese viel zutraulicher und schwimmen immer wieder unter unserem Bug hin und her – ein schönes Schauspiel, das ich so auch bereits von unseren eigenen Segeltörns kenne.

Das Ankermanöver stellt sich als recht kompliziert heraus. Nachdem der Anker ausgebracht ist, lässt Greg vier Landleinen legen. Molly und ich bringen diese mit dem Dinghi aus und dessen Steuerung mit dem noch fast unbekannten Außenborder fällt mir nicht ganz leicht, zumal wir ja auch noch die Landleine im Schlepp haben und ich ständig Angst habe, diese in die Schraube zu bekommen. Greg schaut unseren etwas verkorksten Manövern vom Schiff aus in Ruhe zu. Er weiß, dass keine Gefahr besteht und lässt uns einfach mal machen. Nachdem wir endlich alle vier Leinen ausgebracht haben, holen Molly und ich noch Frischwasser von einem nahegelegenen Wasserfall. Anschließend gibt uns Greg einige Tipps, wie wir unsere Manöver und den Umgang mit dem Dinghi verbessern können. Er gibt uns sogar eine praktische Einweisung und Molly und ich üben die vorgeführten Manöver noch eine Zeitlang.

Zum Abendessen gibt es gebackene Bohnen – ein für mich unbekanntes Essen, das mir aber sehr gut schmeckt. Anschließend ziehen Molly, Renée, Duncan und ich noch einmal zu einer kurzen Wanderung los. Wir kraxeln den Hang direkt hinter der Northanger hinauf und laufen auf der Ebene oben zu einer nahegelegenen Lagune, die auch den Wasserfall speist, von dem Molly und ich das Frischwassser geholt hatten. Leider ist es ziemlich bewölkt und es nieselt. So erinnert mich die Landschaft auch sehr stark an Schottland. Als der Regen stärker wird, treten wir alle den Rückzug an. Ich laufe mit Duncan voraus, während Renée und Molly einen anderen Weg ausprobieren. Am Dinghi warten Duncan und ich dann auf die beiden ;-). Unterwegs unterhalte ich mich mit Duncan über das Thema Langzeitreisen und Aussteigen im Kontext des Segelns. Offensichtlich hatten Renée und er ein völliges Aussteigen in Erwägung gezogen, sich dann aber dagegen entschieden. Es ist sehr interessant, seine Überlegungen dazu zu erfahren.

Zurück an Bord darf die traditionelle heiße Schokolade vor dem Abgang in die Kojen natürlich nicht fehlen ;-).

Sanfte Passage ums Cabo Froward

(Nachtrag von Mittwoch, 15.01.2014)

Heute Morgen erscheinen Greg Wind und Seegang noch zu stark, um einen erneuten Versuch zur Umfahrung des Cabo Frowards zu starten. Deshalb machen wir uns nach dem Frühstück zunächst auf zu einem Landgang.

Renée, Duncan, Greg und ich fahren mit dem Dinghi an den Strand. Dort wechseln wir die Schuhe und lassen unsere Schwimmwesten und Regenkleidung zurück. Dann streifen wir ein wenig am Ufer entlang und Greg erklärt uns einige Dinge zu den lokalen Pflanzen und Überresten einer norwegischen Wahlfangstation. Schließlich kehrt er zum Schiff zurück, um zusammen mit Molly zum Leuchtturm San Isidro bzw. der nebenan liegenden Hosteria zu laufen. Renée, Duncan und ich laufen noch ein Stück weiter am Ufer entlang. Wir sollen Greg und Molly später am Leuchtturm treffen.

Diese Auftrennung der Gruppe erscheint mir einerseits zwar etwas seltsam, andererseits komme ich mit Renée und Duncan hervorragend aus, während mir Molly teilweise etwas auf die Nerven geht. Letzteres ist umgekehrt möglicherweise ebenso der Fall. Ich habe das Gefühl, dass sie in mir eine Art Kokurrenz in Sachen segeln sieht. Außerdem bin ich ein paar Jahre älter und habe ein gutes Stück mehr Reiseerfahrung als sie.

Ich unterhalte mich während des Spaziergangs sehr angenehm mit Renée und Duncan. Irgendwann machen wir dann kehrt und kehren zum Dinghi zurück. Von dort machen wir uns sofort auf den Weg zum Leuchtturm. Der Weg führt zum Teil ansteigend durch den Wald, zum Teil am Strand entlang und ist Teil der 5-tägigen Wanderung von Punta Arenas zum Cabo Froward. Entsprechend treffen wir auch auf ein Pärchen Backpacker aus Südtirol, die genau diese Wanderung machen. Insgesamt sind wir vielleicht eine dreiviertel Stunde bis zum Leuchtturm unterwegs – etwa das doppelte bis dreifache der von Greg angegebenen Zeit. Zeit spielt in seinem Leben eben keine so große Rolle mehr :-).

Am Leuchtturm angekommen genießen wir erstmal die Aussicht auf die Buchten unter uns und die Berge auf der gegenüberliegenden Seite der Magellanstraße. Von Greg und Molly ist nichts zu sehen. Wenig später meldet sich Greg aber über Funk und meint, dass sie in Kürze zu uns stoßen würden.

Inzwischen hat der Wind etwas gedreht und Duncan scheint sich echte Sorgen ums Schiff zu machen, das wir von hier aus nicht sehen können. Er kontaktiert erneut Greg über Funk, der recht relaxt erscheint. Da wir aber inzwischen ganz schön Hunger haben, verständigen wir uns darauf, zurück zum Dinghi zu laufen und uns dort zu treffen.

Wie so häufig erscheint der Rückweg deutlich kürzer als der Hinweg und beim Dinghi warte ich zusammen mit Renée und Duncan eine ganze Weile auf Greg und Molly. Diese haben in der Hosteria eine Dusche genossen und über der Reparatur einer Motorsäge offenbar ein wenig die Zeit verloren :-).

Zurück an Bord legen wir auch gleich ab, da die Windverhältnisse inzwischen ganz gut erscheinen. Außerdem ist es bereits später Nachmittag und wir wollen heute noch ein gutes Stück Strecke zurücklegen. Es ist sogar die Rede von einer Nachtfahrt, auf die ich persönlich nicht so sehr scharf bin.

Nach dem Ablegen gibt’s Sandwiches und eine gute Stunde später umfahren wir bei fast vollständiger Flaute das Cabo Froward. Die Landschaft wirkt bei Windstille und fehlendem Seegang völlig anders als gestern, als wir vergeblich gegen Wind und Wellen angekämpft haben. Ich verbringe eine ganze Zeitlang im Bugkorb stehend und genieße die langsam an uns vorbei ziehende Landschaft.

Von der Magellanstraße biegen wir wenig später in südlicher Richtung ab in einen der vielen Kanäle, die zwischen den unzähligen Inseln hindurch ins offene Meer hinaus führen. Inzwischen geht hinter den Wolkenbergen bereits die Sonne unter und färbt den Himmel in feuerroten Streifen. Da es schnell dunkel wird, beschließt Greg in der näher gelegenen der beiden zur Auswahl stehenden Buchten, der Caleta Murray auf der Isla Clarence, vor Anker zu gehen.

Zum Abendessen gibt’s eine leckere Suppe und wie immer suchen wir nach einer anschließenden heißen Schokolade bald unsere Kojen auf.

Erster Tag auf See

(Nachtrag von Dienstag, 14.01.2014)

Aus dem Ablegen in der Nacht wird leider nichts, da der Hafen noch bis in den Morgen hinein geschlossen bleibt. Gegen 07:30 Uhr wache ich auf, als Greg sich über Funk nach dem aktuellen Stand der Sperre erkundigt. Die genaue Antwort bekomme ich nicht mit, aber mit oder ohne Freigabe lichten wir wenig später den Anker.

Unter Maschine nehmen wir Kurs in südwestlicher Richtung und fahren bei recht ordentlichem Seegang und starkem Wind die Magellanstraße entlang. Frühstück gibt es unterwegs – Müsli und Kaffee. Der von Achtern kommende Seegang sorgt für ein sanftes Rollen des Schiffs – eine Bewegung, die ich gar nicht mag! Aber ich bleibe zum Glück fitt und falle nicht der Seekrankheit anheim. Zwischendurch scheint abschnittsweise mal die Sonne bei ansonsten fast vollständig geschlossener Wolkendecke. Erstaunlicher Weise flaut der Wind und der Seegang am Nachmittag deutlich ab, so dass man sogar von Flaute sprechen könnte. Wir müssen die zur Unterstützung gesetzte Genua wieder einholen und laufen unter Maschine weiter in Richtung Cabo Froward, vorbei am Leuchtturm San Isidro – dem südlichsten Leuchtturm des südamerikanischen Festlandes.

Kurz vor dem Kap frischt der Wind und der Seegang wieder deutlich auf und keine halbe Stunde später kämpfen wir wieder gegen recht heftige Wellen an. Für heute verlieren wir diesen Kampf und müssen umkehren. Greg setzt Kurs zurück auf die Bucht Aguila ein kleines Stück südlich vom Leuchtturm San Isidro. Etwas mehr als eine Stunde später gehen wir dort vor Anker.

Zum Abendessen gibt’s gebackene Kartoffeln mit angedünstetem Gemüse, Thunfisch und Salsa. Während wir auf die zweite Runde Kartoffeln aus dem Ofen warten, bereitet uns Molly frisches Popcorn zu.

Morgen wollen wir sehen, wie die Bedingungen für die Passage ums Cabo Froward sind und je nachdem gleich morgens ablegen oder noch einen Landgang zum Leuchtturm San Isidro einlegen.

Warten auf die Freigabe

(Nachtrag von Montag, 13.01.2014)

Meine erste Nacht an Bord schlafe ich bereits sehr gut – wenn auch ein wenig kurz. Nach dem Frühstück mit Müsli und Kaffee machen sich Greg und Molly auf den Weg an Land, um die Freigabe zum Ablegen vom Hafenmeister zu holen und noch ein paar fehlende Lebensmittel einzukaufen. Hier in Chile wollen die Behörden offensichtlich bereits im Voraus die genaue Route eines Törns wissen. Auch wenn das gerade hier im nicht unbedingt wetterstabilen Patagonien und Feuerland so überhaupt keinen Sinn ergibt. Allein wegen zu starkem Wind kann man hier gerne einmal mehrere Tage festsitzen.

Duncan fährt die beiden mit dem Dinghi an Land, während Renée und ich an Bord bleiben. Wenig später kehrt auch Duncan zurück und wir drei machen es uns im Saloon gemütlich. Wir unterhalten uns über die verschiedensten Dinge, während draußen der Wind immer weiter auffrischt. Irgendwann meldet sich Greg über Funk und bittet uns, an Deck alles zu sichern und etwas mehr Ankerkette zu stecken. Ersteres ist in dem starken Wind gar nicht so einfach, bei dem man sich teilweise kaum an Deck halten kann. Ich bin deshalb auch gar nicht unglücklich darüber, dass Duncan diese Aufgabe übernimmt und ich ihn vom Schott aus nur im Auge behalten muss. Für das Ankermanöver starten wir dann die Maschine und bringen erfolgreich zwanzig weitere Meter Kette aus. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, ist dass Greg das Ventil des Kühlwasserzulaufs der Maschine immer schließt. Darauf macht er uns erst bei seinem kurz nach dem Manöver folgenden Funkspruch aufmerksam. Duncan ist daraufhin ziemlich besorgt, dass wir den Impeller beschädigt haben könnten. Ein weiteres Starten der Maschine bringt aber die Erleichterung, dass alles in Ordnung ist.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir unter Deck mit essen und unterhalten :-). Greg meldet sich noch ein paar Mal über Funk und Handy und so erfahren wir, dass sich die Freigabe der Papiere noch etwas hinziehen wird. Am späteren Nachmittag schläft der Wind urplötzlich fast vollständig ein. Erst als Greg und Molly bereit für die Abholung sind, frischt er wieder deutlich auf. Die Abholfahrten werden so auch zu einer ziemlichen Herausforderung, da das Dinghi fast nicht gegen den Wind und Seegang ankommt. Außerdem geht bei einer der Fahrten wegen eines missverständlich geschlossenen Belüftungsventils auch noch der Außenborder aus, was bei dem Wind natürlich fatal ist. Nach einiger Aufregung sind aber alle wieder wohlbehalten an Bord.

Leider können wir heute nicht mehr den Anker lichten, da wegen des starken Windes der Hafen geschlossen wurde. Fragt sich nur welcher Hafen, denn faktisch ankern wir an fast völlig geraden Küste vor Punta Arenas… Aber Bestimmungen sind nun einmal Bestimmungen und so bleibt uns keine andere Wahl, als noch einmal eine Nacht hier zu bleiben.

Zum Abendessen gibt’s leckere Burritos, für die wir alle gemeinsam die diversen Zutaten schnippeln. Nach dem Essen darf die inzwischen bereits traditionelle heiße Schokolade nicht fehlen, bevor wir unsere Kojen aufsuchen. Gregs Plan sieht ein mögliches Ablegen in der Nacht vor, sollte der Hafen zwischenzeitlich geöffnet werden. Sollte dies nicht der Fall sein, werden wir morgen früh den Anker lichten.

An Bord der Northanger

(Nachtrag von Sonntag, 12.01.2014)

Um 15:00 Uhr treffe ich Molly in der Stadt vor dem Cafe Tostados. Sie ist immer noch so aufgedreht wie schon bei unserem ersten Treffen, bei dem ich von diesem Törn erfahren habe. Wir trinken erstmal einen Kaffee und unterhalten uns eine Weile. Dabei erfahre ich ein paar interessante Details über sie, ihre Reise, ihre Arbeit an Bord der Northanger und über Greg. So z.B. sie erst 26 Jahre alt ist – ich hätte sie wesentlich älter geschätzt – und dass sie seit 13 Monaten auf Reisen ist. Sie verdient sich mit Wandmalereien und anderen Gelegenheitsjobs (u.a. während der letzten fünf Wochen beim Flottmachen der Northanger) ihren spartanischen Lebensunterhalt und scheint keine großen Ambitionen zu haben, in ein “normales” Leben zurückzukehren. Bleibt natürlich auch die Frage, was “normal” ist und wer das definiert – ich bewundere und beneide sie jedenfalls schon jetzt…

Greg Landreth, der Eigentümer der Northanger, startet am 22. Januar von Ushuaia aus zu einer Kap Horn Umsegelung. Unser Törn dient also hauptsächlich dazu, die Northanger dafür nach Ushuaia zu verlegen. Gregs Frau Keri Pashuk ist derweil mit einem zweiten Schiff unterwegs nach Ushuaia und befindet sich momentan irgendwo vor der Nordostküste Brasiliens.

Nach dieser gechillten Unterhaltung marschieren Molly und ich los und positionieren uns an einer Kreuzung am Stadtrand, um per Anhalter zum Liegeplatz der Northanger zu fahren. Molly erzählt mir, dass sie schon die ganze Zeit ihrer langen Reise so unterwegs ist. Und tatsächlich, schon nach wenigen Minuten werden wir von einem chilenischen Paar mitgenommenen und sind wenig später bereits bei der Northanger. An Land liegend wirkt sie gar nicht so groß, wie ich erwartet hatte. An bzw. unter Deck lerne ich Duncan und Renée aus New Foundland, Canada kennen. Sie sind Freunde von Greg und wollten ursprünglich andere Segelfreunde aus Holland treffen, um mit ihnen über Ushuaia in die Antarktis zu segeln. Diese haben sich aber verspätet und so segeln sie nun mit uns nach Ushuaia.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit der Erledigung der letzten wichtigen Arbeiten vor der Wasserung der Northanger. Diese soll bei Flut gegen 22:30 Uhr stattfinden. Außerdem nimmt uns Greg in zwei Gruppen zu einer kurzen Einweisungsfahrt mit dem Dinghi mit. Was für Molly völliges Neuland ist, ist mir von unseren zahlreichen Törns mit der Familie bereits bekannt. Trotzdem kann ich von Greg mit Sicherheit noch viel lernen…

Am Abend gibt es das erste Abendessen an Bord. Da Molly strikte Vegetarierin und absolute Verfechterin von gesunder Ernährung ist, wird es während des Törns ausschließlich fleischlose Nahrung geben. Für mich ist das an sich kein Problem und der Gemüse-/Bohnen-Eintopf schmeckt auch sehr gut. Lediglich die wirklich sättigende Wirkung fehlt mir etwas :-).

Nach dem Essen werden die wirklich letzten Arbeiten vor der Wasserung erledigt. Das Befüllen des 500 Liter Wassertanks zieht sich weit über eine halbe Stunde hin. Die Maschine wird gestartet und vorgewärmt. Da wir ja noch auf dem Trockenen sitzen, muss das notwendige Wasser für die Kühlung in einem großen Wasserfass unter Deck bereit gehalten werden.

Gegen 22:00 Uhr scheint dann alles wichtige soweit erledigt zu sein und wir warten auf die Jungs, die uns ins Wasser “schubsen” sollen. Wegen eines Missverständnisses treffen diese später ein als geplant und so beginnen die Arbeiten für die Wasserung erst gegen 23:00 Uhr. Eine ganze Crew wuselt um das Schiff herum, während wir an Deck auf die Rutschpartie ins Wasser warten. Leider hat es inzwischen angefangen zu regnen und so wird das Warten zu einer recht kühlen Angelegenheit. Ich überlege ständig, schnell noch meine Regenkleidung anzulegen, will aber natürlich auch nichts verpassen.

Die ganzen Vorbereitungen und Handgriffe der Bodencrew wirken irgendwie sehr improvisiert, aber gegen halb eins gleiten wir schließlich ohne weitere Vorwarnung sanft ins Wasser. Ich hatte eine viel ruppigere Wasserung erwartet und deshalb darauf verzichtet, meine Kamera bereit zu halten. Sofort wird die Maschine gestartet und ich bekomme das Kommando zum Herablassen des Hubkiels. Dann muss nur noch ein Freund von Greg zurück an Land gebracht werden, der die ganze Prozedur zur Absicherung vom Dinghi aus verfolgt hatte. Anschließend machen wir uns auf den Weg zu unserem Ankerplatz für heute Nacht.

Wenig spätern ankern wir ein paar Meilen nördlich direkt vor dem Stadtzentrum von Punta Arenas. Inzwischen ist es zwei Uhr nachts und nach einem kurzen Imbiss und fröhlichem Beisammensein suchen wir alle unsere Kojen auf.

Ich bin dann mal weg…

Beim Frühstück treffe ich heute auf einen anderen Gast, der für mich gleich den Eindruck eines Seglers macht. Und tatsächlich, er ist Franzose, lebt in Uruguay und besitzt ein Segelschiff, mit dem er in den Sommermonaten Expeditionen unternimmt. Er kennt auch die Northanger und Greg Landreth und segelt selbst in den nächsten Tagen mit Kunden nach Südgeorgien.

Und auch für mich soll es heute endlich losgehen! Nach dem Frühstück checke ich aus dem Hostel aus und warte dort auf den Anruf von Molly und Greg. Sobald dieser kommt und mich die beiden abholen, werde ich wohl für die nächsten sieben bis acht Tage keinen Internet-Zugang mehr haben. Ich werde also weder eMails noch Kommentare beantworten und mein Blog in dieser Zeit nur offline schreiben können. Die entsprechenden Berichte stelle ich dann nach unserer Ankunft in Puerto Williams bzw. Ushuaia online. In diesem Sinne melde ich mich nun mal für die nächsten Tage ab – nicht jedoch, ohne euch vorher noch ein paar Infos über das Schiff, seine Expeditionen, seinen Besitzer und die voraussichtliche Route zu geben…

Die Northanger ist eine 54 Fuß lange Stahl-Ketch Baujahr 1982. Sie wurde auf der Faversham Werft in England gebaut und für die Erkundung der abgelegensten Orte dieses Planeten und als Transportmittel für Bergsteiger ausgestattet. Sie hat bereits einmal den Besitzer gewechselt und gehört seit 1989 dem Neuseeländer Greg Landreth und dessen Frau, der Kanadierin Keri Pashuk. Das Schiff hat schon viele Expeditionsfahrten hinter sich und war so z.B. das erste englische Segelschiff, das die Nordwestpassage erfolgreich gemeistert hat. Auf der Website www.northanger.org findet ihr viele weitere Infos zum Schiff, dessen Expeditionen und den beiden Eigentümern Greg und Keri. Die immer wieder erwähnte Amerikanerin Molly Keen ist übrigens ebenfalls eine Passagierin, die auf ihrer Langzeitreise hier gestrandet ist und bei Greg angeheuert hat. Sie hat ihm während der letzten Wochen beim Flottmachen des Schiffs geholfen.

In der Karte in meinem Blog habe ich unsere voraussichtliche Route mal eingezeichnet. Natürlich kann sich diese noch verändern und da ich unterwegs wie gesagt keinen Internet-Zugang haben werde, werde ich die tatsächliche Route erst nach Ende des Törns eintragen können.

So, das war’s jetzt erstmal. Ich melde mich baldmöglichst aus Puerto Williams oder Ushuaia wieder…

Verzögerung beim Ablegen

Beim Aufstehen heute Morgen ist mein Kenntnisstand noch, dass mich Molly und Greg um die Mittagszeit anrufen und mich dann zum Einkaufen abholen wollen. Also packe ich meine Sachen und verlasse das Dormatory – nicht jedoch ohne mir für den Fall einer weiteren Verzögerung das Bett noch bis 13:00 Uhr zu sichern…

… eine sehr weise Entscheidung, wie sich nur etwa zwei Stunden später herausstellt. Per eMail teilt mir Molly mit, dass sie in Kürze zum Einkaufen aufbrechen werden. Ich bräuchte aber nicht mitkommen, da zu viele Personen die Organisation nur erschweren würden. Ich solle noch eine Nacht, also bis Sonntag im Hostel bleiben und morgen würden sie mich abholen und auf dem Schiff einquartieren. Außerdem solle ich die 1000 US-Dollar Heuer nun doch bar mitbringen. Weil ich mir nicht sicher bin, wie schnell ich diese hohe Summe an den Geldautomaten bekommen würde, hatte ich mit Greg ursprünglich vereinbart, dass wir einfach einen Teil der Einkäufe mit meiner Kreditkarte bezahlen. Jetzt würde ich also schauen müssen, wie ich möglichst schnell an Bargeld komme – und heute ist Samstag, damit also kein Bankarbeitstag!

Da mir das ständige eMails Schreiben zusammen mit der jeweils zeitlichen Verzögerung zu aufwändig ist, rufe ich Greg vom Handy der Hostel-Betreiberin direkt an. Er bestätigt mir die Auskunft von Molly, meint aber dass wir spätestens am Montag ablegen würden.

Also bestätige ich Molly wiederum per eMail den neuen Plan, beziehe wieder das gleiche Bett im Dormatory und ziehe los in die Stadt, um Geld zu organisieren. Über Skype erreiche ich meine Bank und kann unter Ausschöpfung meines Tageslimits den größten Teil des Betrags beschaffen. Morgen würde ich dann versuchen, den Rest zu ziehen.

Nachdem das erledigt ist, surfe ich noch ein wenig im Internet und telefoniere per Skype mit meiner Familie. Zum Mittagessen kehre ich dann ins Hostel zurück und verbrauche den Rest des Proviants für die gestrige Pinguin-Tour.

Da ich gefühlt bereits fast alles sehenswerte von Punta Arenas gesehen habe und das Wetter außerdem heute nicht das beste ist, verweile ich ein wenig im Hostel. So wird auch ein weiterer der noch ausstehenden Artikel meines Blogs fertig. Es lohnt sich also, mal wieder nach unten zu scrollen :-).

Am späten Nachmittag ziehe ich dann nochmal los, drehe eine Foto-Runde durchs Zentrum und besuche kurz den schön hergerichteten Friedhof. Den Rest des Abends bringe ich dann wieder im Hostel zu. Bei einem letzten kurzen Spaziergang kann ich dank Zeitverschiebung sogar noch den fehlenden Rest des Geldes für meine Heuer am Geldautomaten ziehen.