(Nachtrag von Dienstag, 31.12.2013)
Eigentlich will ich heute einen ruhigen Tag verbringen, mich um die Planung und Organisation der nächsten Tage kümmern, am Nachmittag das Glaciarium (ein neues Museum zum Thema Gletscher) hier in El Calafate besuchen und dann irgendwie Silvester feiern. Aber wieder einmal kommt alles ganz anders…
Nach dem Frühstück sitze ich eine Weile über meinen Lonely Planets und Notizen und trage Informationen zusammen. Anschließend ziehe ich los und gebe zunächst meine Wäsche in einer Lavanderia ab. Endlich wieder einmal frische Wäsche! Die nächste Station, das Bus-Terminal bringt dann die Wende: Am morgigen Neujahrstag fährt kein einziger Bus nach Puerto Natales in Chile, weil wegen des Feiertags alles geschlossen ist. Und für den 2. Januar sind bei beiden Gesellschaften die Busse vollständig ausgebucht! Die einzige Möglichkeit, noch vor dem 3. Januar nach Puerto Natales zu kommen ist heute um 15:00 Uhr – also in etwas mehr als drei Stunden. Sowas blödes – erstens wollte ich heute einige Dinge organisieren und zweitens habe ich das Hostel schon für eine weitere Nacht bezahlt!
Zunächst prüfe ich alle weiteren Möglichkeiten für Aktivitäten von El Calafate aus, aber die scheinen sich auf das erwähnte Museum und eine kleine Tageswanderung zu beschränken. Außerdem muss ich jetzt schnell eine Entscheidung treffen, da ich erstens ja aus dem Hostel raus muss, um vielleicht doch noch einen Teil der bereits bezahlten Nacht zurück erstattet zu bekommen und es zweitens auch im einzigen Bus heute nur wenige übrige Plätze gibt. Eine ganze Weile überlege ich hin und her. Auf der einen Seite habe ich keine so rechte Lust, für zwei weitere volle Tage hier festzusitzen, auf der anderen Seite nervt mich die Hektik, die jetzt aufkommt. Und eigentlich wollte ich mit den drei Deutschen, die ich gestern bei der Gletscher-Tour getroffen habe und/oder mit der Französin, die ich im Hostel kennen gelernt habe, in Ruhe Silvester feiern. Sollte ich heute noch weiterfahren, so würde ich Anna nicht einmal Bescheid sagen können, da sie heute auf der Gletscher-Tour ist. Oh, wie ich es hasse ich, solche Entscheidungen unter Zeitdruck treffen zu müssen – vor allem beim Reisen.
Schließlich entscheide ich mich aber doch, schon heute nach Puerto Natales weiter zu fahren. In El Chaltén habe ich bereits zwei Tage mit Nichtstun verbracht und das will ich nicht wiederholen. Außerdem kann es bei der anstehenden Trekking-Tour im Torres del Paine Park natürlich auch wieder zu wetterbedingten Verzögerungen und Planänderungen kommen, so das zusätzliche Reservetage nicht schlecht sind.
Also kaufe ich mein Ticket für den Bus und gehe dann schnell zum Hostel zurück, um meine Sachen zu holen. Auf Nachfrage bekomme ich immerhin knapp die Hälfte der bereits bezahlten Nacht zurück erstattet. Anschließend hole ich meine Wäsche bei der Lavandaria ab und packe vor Ort meinen Rucksack für die Weiterreise. Leider hat die Post inzwischen schon wieder geschlossen, aber in einem kleinen Schreibwarengeschäft bekomme ich Briefmarken und kann meine Postkarten in die Heimat gleich abgeben. Unterwegs treffe ich zufällig auf Frederico, einer der Italiener, mit denen ich auf der Carretera Austral unterwegs war.
Im Bus-Terminal muss ich nicht lange warten und begegne beim Einsteigen Matt und Austin wieder, die ich zum ersten Mal während des Treks von El Chaltén aus getroffen habe. Beide fahren auch nach Puerto Natales und Austin hat sogar den Sitzplatz neben mir.
Gleich zu Beginn der Fahrt bekommen wir einen Info-Flyer und die Formulare für die Einreise nach Chile ausgehändigt. Die Bestimmungen scheinen sehr strikt zu sein, was die Mitnahme von Lebensmitteln angeht: Keine tierischen Produkte, kein Obst und keine Milchprodukte. Sogar Kunsthandwerk aus Naturmaterialien wie Holz ist verboten. Da ich noch ein wenig von meinem Trekking-Proviant übrig habe und mich nicht mit den Grenzbeamten anlegen möchte, kreuze ich im Formular lieber mal an, dass ich etwas zu deklarieren habe.
Bis zum Grenzübergang dauert die Fahrt etwa drei Stunden und führt durch die bereits bekannte Steppenlandschaft des argentinischen Patagoniens. Viel zu sehen gibt es also nicht :-). An der Grenzstation auf der argentinischen Seite geht alles recht schnell: Wir müssen alle aussteigen und uns den Ausreisestempel abholen. Die sorgsam aufbewahrte Aufenthaltskarte wird keines Blickes gewürdigt und auf Nachfrage erklärt mir der Beamte, dass sie für den Müll sei :-). Danach steigen wir alle wieder in den Bus und fahren weiter zur chilenischen Grenzstation. Hier ist die Prozedur schon etwas komplizierter: Wir müssen wieder alle aussteigen und unser Gepäck ausladen. Dann gibt es wieder einen Stempel in den Pass und auf die hier wichtigere Aufenthaltskarte. Anschließend muss jeder sein Gepäck zum Röntgengerät bringen. Ich mache die Beamtin zur Sicherheit nochmal darauf aufmerksam, dass ich im Formular angegeben habe, Lebensmittel dabei zu haben. Trotzdem werden auch meine Rucksäcke nur geröntgt und fertig – niemand will auch nur einen Blick auf die Provianttüte werfen! Mal wieder alles Schall und Rauch?!
Nachdem wir alle die Prozedur durchlaufen haben, setzen wir unsere Fahrt fort und erreichen eine gute Stunde später Puerto Natales. Die Stadt macht auf den ersten Blick ein wenig einen heruntergekommenen Eindruck. Entgegen der Angabe im Lonely Planet endet die Fahrt im zentralen Bus-Terminal. Dort hole ich zusammen mit Matt und Austin zuerst einmal Informationen zu den Verbindungen in den Torres del Paine Park ein. Dann folge ich den beiden zu der Unterkunft, die sie bereits im Voraus gebucht haben. Da ich ja keine Vorbuchung habe, hoffe ich, dort ebenfalls noch einen Schlafplatz zu finden. Inzwischen hat es angefangen zu regnen und so wird der etwas längere Fußmarsch ein wenig ungemütlich. Schon alleine deshalb habe ich keine große Lust, auf eigene Faust eine Unterkunft zu suchen.
Nach ein wenig suchen finden wir schließlich das Casa Lili – ein unscheinbares kleines Haus mit Holzfassade unter vielen anderen. Für 6000 Pesos bekomme ich ebenfalls ein Bett im 8-Bett-Dormatory, für 7000 Pesos auf Wunsch mit Frühstück. Allerdings nicht morgen am Feiertag :-). Der Preis ist natürlich unschlagbar, das Dormatory und das ganze Haus dafür aber auch ein wenig seltsam… Der Schlafraum ist ein dunkler Verschlag ohne Fenster, in dem eine ziemliche Hitze herrscht – verursacht durch die Gasheizung, die offensichtlich niemand regelt. Auch die bereits anwesenden Leute – darunter wieder mal viele Israelis – wirken irgendwie “komisch”. Alles kommt einem so vor wie eine nicht ganz ordentliche Studenten-WG. Nun ja, da ich keine Lust habe, weiter draußen im Regen herumzustapfen, richte ich mich hier eben so gut wie möglich ein.
Wenig später ziehe ich zusammen mit Matt und Austin nochmal los, um Geld zu holen und nach etwas zu Essen zu suchen. In der etwas schäbigen “Slowly Bar” um die Ecke gibt es günstige Hamburger und da unsere weitere Suche zu keiner brauchbaren Alternative führt, kehren wir hier ein. Der Hamburger ist auch gar nicht so schlecht.
Zurück im Hostel verbringen wir die restliche Zeit bis Mitternacht im “Wohnzimmer” der Unterkunft. Dort läuft typisch südamerikanisch dauerhaft der Fernseher und der WLAN-Empfang ist hier auch am besten :-). Ich gehe automatisch davon aus, dass wir gegen Mitternacht noch einmal losziehen würden, aber Matt und Austin scheinen keine entsprechenden Pläne zu haben und so verläuft Silvester für mich dieses Mal äußerst unspektakulär und völlig anders als ich es erwartet hatte. Vielleicht hätte ich doch in El Calafate bleiben sollen…
Hi Timo,
entsprechend unspektakulär war auch unser Silvester, wobei wir aber wenigstens ein schönes gemütliches Essen zu zweit hatten!
Herzlichst deine Mum