Bei einem “exakt bestellten” Frühstück (jeder einzelne musste die Order “Un croissant, un café con leche y un jugo de naranja” wiederholen, obwohl das beinahe die einzige Auswahl war) machten wir unsere Planung für den ersten Tag. Wir nahmen uns das Centro von Madrid vor. Von Plaza zu Plaza zogen wir durch die Altstadt und genossen das Leben, das überall herrschte. Unter anderem waren Puerta del Sol, Plaza Mayor, Plaza de Villa und der Plaza Oriente dabei. Dort besichtigten wir auch den Palacio Real von außen und die Catedral de Nuesta Señora de la Almudena, die gerade wegen ihrem sehr dominanten Äußeren innen eher schlicht wirkte. Von dort ging’s weiter zum Campo del Morro, der praktisch der Schlossgarten des Palacio Real war.
Zum Mittagessen fanden wir nach ein wenig Suchen ein nettes kleines Restaurant mit kleinen Tischen direkt auf der schmalen Gasse. Wir aßen unsere ersten Bocadillos, bei denen es sich eigentlich um ganz normale belegte Baguettes handelte. Aber: Der Name macht’s halt ;-)…
Leider machte ich nach dem Essen eine sehr erschreckende Entdeckung: Meine Visa-Karte war gesperrt! Natürlich wurde mir da ein wenig anders zu Mute, weil ich mir ja sowieso wegen des Zettels mit den Nummern und PINs im gestohlenen Geldbeutel Sorgen machte. Deshalb probierte ich auch gleich die Karte am nächsten Geldautomaten aus – mit dem Erfolg, dass diese sofort eingezogen wurde. Durch aufwändiges Herumtelefonieren fand ich schließlich heraus, dass jemand meinen Geldbeutel gefunden und bei der Sperrhotline in Deutschland angerufen hatte. Meine Bank konnte mir sogar Name und Telefonnummer dieser Person geben, die wir dann natürlich sofort kontaktierten. Wir machten ein Treffen aus und verbrachten die wenige Zeit bis dahin dann erstmal in der Blumenabteilung des “Corte Inglés”, um nach einem geeigneten Geschenk zu suchen.
Vor der Wohnung “meiner Retterin” mussten wir noch kurz warten und überlegten fieberhaft, wer es wohl sein könnte, der so viel Zivilcourage besitzt und sich die Mühe macht, extra die Sperrhotline in Deutschland anzurufen. Nach einer Weile tauchte Lena mit zwei Begleitern auf und führte uns in die Wohnung. Und da wurde uns schlagartig klar, dass hier nicht wie vermutet ein Student wohnen konnte: Die Wohnung war höchst beeindruckend! Überall hingen Sammlungsstücke wie alte Musikinstrumente und Schnitzarbeiten an den Wänden. Der Raum, in den wir zunächst geführt wurden war praktisch mit gefüllten Bücherregalen verkleidet. Lena erzählte uns dann auch, dass wir uns in der Wohnung eines in Spanien sehr bekannten Sängers (einem der Männer, mit denen sie vorhin aufgetaucht war) befanden, dessen Sekretärin sie war. Eine geminsame Freundin von ihr und “Gimona” hatte meinen Geldbeutel gefunden und ihnen gegeben. Kurz darauf trafen wir “Gimona” selbst, die wohl einfach mehrere Nummern auf meinem Zettel durchprobiert hatte, bis sie die Sperrhotline erwischt hatte. Sie gab mir meinen Geldbeutel mit allem zurück. Lediglich das Münzgeld war gestohlen worden. Auf dieses hatte es der Dieb vermutlich abgesehen und den Geldbeutel dann enttäuscht wieder weggeworfen, weil es nur ca. 10 EUR gewesen waren.
In der riesigen Küche standen wir anschließend noch etwas mit Lena, Gimona, deren Bruder und ihrem Mann Joaquín (der Sänger) zusammen und unterhielten uns. Teils auf Englisch, teils auf Spanisch. Gimonas Bruder lebt eigentlich in Paris und Lena ist Peruanerin. Julian unterhielt sich begeistert von der toll eingerichteten Wohnung mit Sabina über seine Sammelleidenschaft und seine Musik und entdeckte zwischendurch die “Zettellampe” von Ingo Maurer, deren Nachbau er in seiner gemeinsamen Wohnung mit Zoé hatte.
Über die Musik von Sabina erfuhren wir auch noch ein paar Details und bekamen auf die Bitte nach einer Kostprobe eine CD, DVD und eine BlueRay-Disc (!!!) geschenkt. Von letzterer hatte ich noch nie überhaupt eine gesehen! Die Suche nach einer Abspielmöglichkeit wird sich noch spannend gestalten ;-)…
Nach einer Weile verabschiedeten wir uns von der netten Gruppe mit dem Versprechen, an einem der kommenden Abende in Lenas Bar in Chueca vorbei zu schauen.
Völlig “high” vor Begeisterung über Menschen mit so viel Zivilcourage und dem zufälligen Zusammentreffen mit so interessanten Persönlichkeiten, machten wir uns auf den Rückweg zum Hostel. Dabei wurde auch der Grundstein für dieses Reisetagebuch gelegt. Ein solches Erlebnis muss einfach festgehalten werden.
Zurück im Hostel – immer noch in Begeisterung schwelgend – lernten wir Hannah und Rebecca kennen, zwei Deutsche, die nach einem Jahr Au-Pair in Bilbao noch ein paar Tage Madrid unsicher machen wollten. Kurzer Hand beschlossen wir, gemeinsam zu kochen und anschließend den Sonnenuntergang vom Plaza Oriente aus zu beobachten. Der Herd bzw. die Stromversorgung im Hostel machten uns allerdings einen Strich durch die Rechnung, da Spaghetti ohne Strom so schwer “al dente” werden. Also machten wir uns erstmal ohne Abendessen auf den Weg zum Sonnenuntergang, von dem wir allerdings nur noch die letzten Strahlen sahen. Anschließend suchten wir eine ganze Weile nach etwas zu essen und kehrten schließlich auf dem Plaza Mayor in ein Restaurant ein. Tja, Student muss man halt sein ;-)… wobei es nicht mal so teuer war wie man jetzt vielleicht denkt. Und meine erste Paella schmeckte mir sehr gut.
Julian entdeckte im Restaurant nebenan eine Mariachi-Gruppe, die dort spielten und sangen. Später kam einer von ihnen sogar noch zu uns an den Tisch. Sali machte allerdings mehr Spass, war einfach super drauf (= ziemlich angeheitert) und ließ sich auch von seinen Kollegen nicht beirren, die ihn dauernd mit “Sali, salimos!” zum Gehen aufforderten. Statt dessen spielte er immer wieder ca. 3 Takte auf der Gitarre und fing dann wieder an zu labern und unsere Mädels zu necken. Jedenfalls behauptete er trotz seiner 40 Jahre aufwärts steif und fest “somos estudiantes” – Langzeitstudenten nach madrilenischer Lebensart eben ;-)…
Als die Gruppe auch Sali endlich davon überzeugt hatte, zu gehen, erkundigten wir uns gleich, wo sie anschließend noch spielen würden. Weil Hannah und Rebe lieber im Zentrum bleiben wollten, fuhren Julian und ich ihnen allein hinterher zu einer etwas außerhalb liegenden kleinen Bar. Dort war die Party bereits in vollem Gange und wir trafen die ziemlich schrägen Vögel tatsächlich wieder. Allerdings war’s mit Musik machen nicht weit her. Auf Nachfrage hieß es zuerst “casi seguro que no vamos a tocar” und nachdem wir uns davon enttäuscht gegeben hatten “puede ser que más tarde”. Das bedeutete aber wohl soviel wie irgendwann so gegen Dämmerung oder eben gar nicht ;-). Typisch Latinos eben – frei nach dem Motto “nix genaues weiß man net”…
Natürlich wurden wir auch gefragt, wo denn unsere Mädels abgeblieben wären und auf unsere Antwort hin meinte einer nur, eine Frau zu erobern müsse wie beim Stierkampf sein – ohne Kampf sei’s ja nicht interessant. Was für ein Vergleich ;-)…
Weil unsere U-Bahn später nicht mehr fahren würde und das mit der Mariachi-Musik sehr unsicher war, fuhren wir zuerst zurück zum Hostel und trafen uns dann noch einmal mit “Tata” (Hannah) und “Rebe” – inzwischen war’s 2 Uhr nachts! Zusamen mit den beiden feierten wir in einem der zahlreichen Clubs rund um den Plaza Santa Ana, bis dieser um ca. halb 4 Uhr zu machte. Mit “Club” ist hier eine kleine Bar gemeint, in der sich so viele Madrileños wie irgend möglich drängten. Überhaupt: Es war total crazy, wie viel so mitten in der Nacht noch auf den Straßen los war und einmal mehr fragte man sich, ob die Leute hier auch mal schlafen. A propos: Die Müllabfuhr kommt hier so zwischen Mitternacht und 1 Uhr ;-).
Singend (Julian und Rebe) ging’s kurz vor 4 Uhr nachts zurück zum Hostel. Dieser Tag war definitiv der verrückteste und lebhafteste unseres ganzen Aufenthalts – sowohl aus Sicht dieses Abends als auch im Rückblick auf den ganzen Urlaub!