Ein Gringo beim Carnaval – Teil 1

Nachdem in der Stadt und im Alltag inzwischen wieder Normalität eingekehrt ist, hole ich jetzt mal den Bericht über die in Brasilien wohl bedeutensten Tage des Jahres nach. Von Freitag letzter Woche bis Dienstag diese Woche wurde hier der “Carnaval da Magia” gefeiert und natürlich habe ich das wichtigste nicht verpasst: Die “desfile” (Parade) der “Escolas da Samba”. Aber alles der Reihe nach…

Bereits Tage vor diesem Event habe ich die verschiedensten Leute gefragt, wo und wann man Eintrittskarten dafür kaufen kann. Immer bekam ich unsichere Antworten (nach dem Motto “da kannst du einfach so hin gehen und vor Ort den Eintritt bezahlen”) und die meisten hatten schlicht keine Ahnung. Tiago, einer der AIESEC-Alumni hatte angekündigt, sich rechtzeitig nach Karten umsehen zu wollen und ggf. ebenfalls eine für mich zu kaufen. Völlig darauf verlassen wollte ich mich aber dann doch nicht…

Am Freitag erfuhr ich nach der Arbeit dann, dass die Karten bereits am Montag innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft waren. Da war die Enttäuschung zunächst natürlich sehr groß und ich ärgerte mich, das Ganze nicht schon viel früher selbst in die Hand genommen zu haben. Und als wäre das nicht genug, schien keiner der AIESECer eine Ahnung zu haben, was sonst stattfinden würde. Ein paar wollten zu den “Dirty Blocks” gehen, wo alle als Frauen verkleidet (natürlich möglichst “dirty”) durchs Stadtzentrum rennen und saufen bis zum Abwinken. Wie ihr euch wahrscheinlich vorstellen könnt, entsprach das nicht unbedingt meiner Vorstellung der “kulturellen Erfahrung” des brasilianischen Carnavals…

Deshalb beschloss ich, spätestens jetzt die Sache selbst in die Hand zu nehmen und auf dem “Schwarzmarkt” vor der “Passarela” (kleine Version des Sambodromo) eine Eintrittskarte zu erwerben. Also tigerte ich am Samstag Vormittag los in Richtung Centro und hatte mit meinen inzwischen etwas verbesserten Sprachkenntnissen nach kurzer Zeit auch tatsächlich einen “Verkäufer” gefunden. Dass ich als Gringo natürlich einen völlig überhöhten Preis für die Karte bezahlte (45 Reais für eine Eintrittkarte im Wert von 10 Reais) versteht sich vermutlich von selbst. Aber das war mir zu diesem Zeitpunkt ziemlich egal, da ich diesen wohl bedeutensten Bestandteil des brasilianischen Carnavals auf keinen Fall verpassen wollte.

Die “Passarela” öffnete am Samstag um 19:00 Uhr und da ich ja keine Ahnung hatte, wie schnell sie sich mit Zuschauen füllen und die guten Plätze weg sein würden, war ich bereits gegen 19:30 Uhr dort. Zwar hatten sich in der Tat bereits ein paar Leute eingefunden, trotzdem hätte ich mir aber gut noch eine Stunde Zeit lassen können, da bis zum Beginn der Parade (offiziell 21:00 Uhr, tatsächlich natürlich erst später) noch einige Zeit verstrich.

Natürlich war diese Wartezeit allein ziemlich langweilig, aber wie bereits im Fall meiner Solo-Wanderung am Wochenende zuvor entschädigte mich die Parade vollends. Es war wirklich ein irre Spektakel! Insgesamt traten 4 “Escolas da Samba” gegeneinander an: Princesa, Copa Lord, Coloninha und Consulado (bei deren Probe ich am 01. Februar gewesen war). Jede dieser “Schulen” präsentierte sich mit einer eigenen Parade, die mindestens 50 und maximal 80 Minuten (Teilnahmeregeln!) die “Passarela” entlang zog. Jede dieser Paraden bestand aus mehreren riesigen, total verrückt geschmückten “Trucks”, die von einer Menge von Helfern geschoben wurden. Dazwischen immer wieder große Blocks von verkleideten “Statisten” und natürlich die (eher weniger ver- bzw. bekleideten *g*) Sambistas. Thiago, mein Chef lief als Indianer verkleidet in einem der Blocks von Consulado mit, die in den Jahren zuvor gewonnen hatten und somit den Favoriten stellten. Von meinem Platz auf der Tribüne konnte ich ihn in dem “Gewusel” allerdings nicht entdecken.

Das ganze Spektakel zog sich natürlich ganz schön hin und leider regnete es zwischendurch für etwa zwei Stunden, was trotz der aufgeheizten Stimmung ein wenig unangenehm war. Zumal ich mit den deutschen Sicherheitsbestimmungen für solche Events im Kopf auf “unnötiges Gepäck” (wie Regenjacke, Schirm, etc.) verzichtet hatte – was sich allerdings als völlig unnötig herausstellte. Zum Glück dauerte der Regen aber nicht die ganze Zeit an und so hatten wir alle während der letzten beiden Paraden Zeit, wieder trocken zu werden ;-). Das ganze Spektakel dauerte bis ca. 5 Uhr am nächsten Morgen und anschließend trabte ich in der riesigen Menge von Zuschauern quer über die extra gesperrte Stadt-Schnellstraße in Richtung Bus-Terminal. Ausnahmsweise fuhren tatsächlich noch Busse um diese Zeit – Carnaval ist eben in allen Belangen ein Ausnahmezustand in Brasilien ;-). Gegen 5:30 Uhr war ich dann zu Hause und fiel ziemlich erschlagen ins Bett.

Am Sonntag schlief ich natürlich erstmal aus und nach einem Frühstück/Mittagessen nach dem Aufstehen war es auch schon Nachmittag. Auf der Homepage der Stadt hatte ich gelesen, dass auch an diesem Tag wieder Paraden stattfinden würden und da ich von niemandem etwas bzgl. anderer Pläne gehört hatte bzw. diejenigen, die ich danach fragte noch mit den Nachwirkungen der Nacht zuvor kämpften, brach ich am frühen Abend erneut in Richtung “Passarela” auf. Mit Zarko hatte ich vereinbart, dass wir (Lukas, Wil, er und ich) uns dort treffen würden. Ich fuhr allerdings anderthalb Stunden später bereits wieder nach Hause, da es heftig zu regnen anfing. Bis dahin waren sie auch noch nicht aufgetaucht und kreuzten angeblich erst auf, nachdem ich wieder weg war.

Ich war ein wenig enttäuscht, dass dieser Abend bisher so “erfolglos” verlaufen war und freute mich daher umso mehr über die SMS, die mir Fábio schickte, kurz nachdem ich zu Hause angekommen war. Er lud mich ein, zusammen mit Tiago in Lagoa Pizza essen zu gehen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Kathrin, Tiagos (Ex?-)Freundin aus Deutschland kennen. Sie hatte einen 4 monatigen Sprachkurs in Uruguay besucht und war die letzten Tage vor ihrem Rückflug nach Deutschland hier in Florianópolis. Alle zusammen verbrachten wir einen sehr schönen Abend bei einem typisch brasilianischen Pizza-Rodízio irgendwo in Lagoa ;-)…