Weihnachten auf Brasilianisch

Ich hätte diesen Eintrag auch gut unter dem Titel “Lost in Translation” veröffentlichen können – aber dazu später mehr…

Wie ihr euch wahrscheinlich denken könnt, wurde dieses Wochenende auch in Brasilien Weihnachten gefeiert. Und obwohl die Feierlichkeiten hier viele Ähnlichkeiten mit denen in Deutschland haben, gab es doch ein paar Unterschiede…

Der für mich wesentlichste war die Temperatur: Bis einen Tag vor Heiligabend war ich absolut nicht in Weihnachtsstimmung und selbst an Heiligabend hielt sich diese sehr in Grenzen. Irgendetwas stimmt einfach nicht daran, Weihnachten bei 30 Grad im Freien zu feiern ;-)…

Eine weitere Kuriosität waren die Feuerwerke überall. Die Brasilianer scheinen es ja zu lieben, das ganze Jahr über Gebrauch von diesen zu machen. So hört man eigentlich jeden Tag mindestens einen Böller. An Heiligabend war es aber ungefähr so wie bei uns ein Tag vor oder nach Silvester, wenn es die Leute nicht mehr abwarten können oder ihre letzten “Reste” verheizen müssen. Am Nachmittag fuhr dann auch noch eine kleine Weihnachtsparade an meinem Appartment vorbei – bis auf die roten Santa Claus Kostüme hätte das auch ein Faschingswagen in Karlsruhe sein können ;-)…

Bis Mitte letzte Woche hatte ich ja damit gerechnet, Heiligabend allein verbringen zu müssen. Die meisten AIESECer waren zu ihren Familien heimgefahren und Einladungen ließen sehr lange auf sich warten. Letztlich kam es aber doch anders…

Irgendwann letzte Woche kündigte mir Cleber (mein Mitbewohner) an, dass mich sein Freund Lino für Heiligabend zu sich nach Hause eingeladen hatte. Da die Vorstellung, Heiligabend völlig allein in meinem Zimmer verbringen zu müssen doch ein wenig “seltsam” war, nahm ich diese Einladung gerne an. Kurz darauf erhielt ich dann noch eine weitere von meinem Chef und am Sonntag Nachmittag rief dann auch Marcelo noch an. Mit letzterem hatte ich zwar gerechnet, die Hoffnung dann aber aufgegeben, nachdem der Anruf die ganze Woche über ausblieb. Ich habe mich eben immer noch nicht vollständig an die brasilianische Lebenweise gewöhnt, alles auf den letzten Drücker zu erledigen…

Am Freitag Abend war ich dann spontan mit Cleber und Lino bei einem Pizza Rodízio, wo Lino ankündigte, mich am Sonntag gegen 18 Uhr abzuholen. Nachdem ich inzwischen einen eigenen, legalen Internet-Zugang besitze, erledigte ich am Samstag ein paar private Dinge und wartete am Sonntag Nachmittag auf Linos Anruf…

Dieser kam dann auch gegen 17 Uhr und er teilte mir mit, dass er mich gegen 21 Uhr – also 3 Stunden später als ursprünglich geplant – abholen würde. Da die Feierlichkeiten zu Heiligabend in meiner Familie immer viel früher beginnen, war die lange Wartezeit schon ein etwas seltsames Gefühl. Also feierte ich in der Zwischenzeit ein wenig für mich allein in meinem Zimmer ;-)…

Gegen 21:30 Uhr (wer wundert sich noch über eine halbe Stunde Verspätung?) kam Lino dann, um mich abzuholen. In seinem Haus waren ein Großteil seiner Familie und einige Freunde versammelt. Und hier passt die Anspielung auf “Lost in Translation” ganz gut: Bis auf die Begrüßungen und wenige einzelne Worte verstand ich von den Gesprächen nicht besonders viel und konnte mich auch kaum mit den anderen Gästen unterhalten, da die Leute hier unheimlich schnell sprechen und bis auf einen einzigen keiner Englisch verstand. Wenigstens konnte ich mich mit einem ein wenig auf Deutsch und Englisch unterhalten – das war aber auch schon alles…

In der Zwischenzeit hatte ich einen Bärenhunger, musste mich aber noch einige Zeit gedulden, da alles – gewollt oder ungewollt (?) – zeitlich ein wenig nach hinten verschoben war. Kurz vor Mitternacht fand dann erstmal die Bescherung statt: Santa Claus (Linos Mutter) kam in den Vorgarten, in dem die Geschenke aufgetürmt waren und verteilte diese Päckchen für Päckchen an die wartenden “Kinder” ;-). Sogar ich wurde mit einem Geschenk überrascht: Ein T-Shirt von Florianópolis!

Anschließend gab’s gegen halb Eins Essen: Hähnchen (oder war es Turkey?) und ein anderes Fleisch, das ich nicht identifizieren konnte, das aber sehr gut war. Dazu Reis und Spaghetti und diverse andere Dinge. Selbstverständlich alles vom Buffet ;-)…

Während und nach dem Essen wurde wieder lautstark geplaudert, wovon ich wieder recht wenig bis gar nichts mitbekam. Inzwischen war ich auch viel zu müde, um hoch konzentriert zu versuchen, wenigstens einzelne Worte zu verstehen und aus diesen den Inhalt der Gespräche abzuleiten.

Kurz vor 3 Uhr brachen dann Linos Freunde auf und setzten mich unterwegs bei meinem Appartment ab. Dort fiel ich hundemüde in mein Bett…

Für den ersten (und letzten) Weihnachtsfeiertag hatte mich Lino wieder zum Mittagessen eingeladen. Er holte mich gegen 13 Uhr ab und bei ihm zu Hause angekommen, ging’s für mich in die zweite Runde von “Lost in Translation” ;-)…

Nach dem Essen – das aus den Resten von der Feier an Heiligabend bestand, aber trotzdem wieder sehr gut war – fuhren Lino, einer seiner Freunde und ich an den Praía Mole und verbrachten dort den Nachmittag. Inzwischen kenne ich diesen Strand ja recht gut, wobei heute allerdings Hochwasser war und er daher nur aus einem sehr schmalen Streifen Sand bestand.

So habe ich also Weihnachten 2006 in Brasilien verbracht. Es war nicht so gemütlich wie zu Hause bei der Familie, aber es war eine neue und aufregende Erfahrung – auch wenn ich wegen der Sprache leider noch immer nur passiv an solchen geselligen Runden teilnehmen kann. Aber das motiviert mich nur, noch intensiver Portugiesisch zu lernen, um diese Hürde möglichst schnell abzubauen.

Morgen ist hier wieder ein normaler Arbeitstag und ich werde mich wieder in aller Frühe in die Firma begeben, während ihr ausschlafen und einen weiteren freien Tag genießen dürft!