Curitiba – die Ausnahmestadt

Am ersten März-Wochenende habe ich Fábio in Curitiba besucht und mir diese Ausnahmestadt Brasiliens angeschaut. Curitiba gilt als sauberste Großstadt Brasiliens und ist mit ihren Umweltschutz- und Nahverkehrsprogrammen vielen Städten in Europa um Jahre voraus. Mehrfach wurden Curitiba die wichtigsten Umweltpreise der Welt verliehen, darunter 1997 der 1. Preis für “Stadt- und Lebensqualität der UNO wegen der vielen Grünflächen und Parks. Neben diesen Parks hat Curitiba angeblich ein sehr gutes Bussystem, das ich allerdings nicht getestet habe, da mich Fábio mit dem Auto herumgefahren hat ;-)…

Am Donnerstag Abend bin ich direkt von der Arbeit zur Rodoviária aufgebrochen. Diesmal war ich allein, da Zarko keine Zeit oder Lust hatte, den Ausflug mitzumachen. Mit dem Bus ging es dann in ca. vier Stunden direkt nach Curitiba, von denen ich die letzten anderthalb bis zwei Stunden verschlafen habe ;-). Fábio hat mich dann an der Rodoferroviária abgeholt und von dort sind wir direkt zu seinem Apartment gefahren. Da er selbst am nächsten Tag arbeiten und ich für meinen Tagesausflug mit dem Serra Verde Express wieder recht früh wieder an der Rodoferroviária sein musste, fanden an diesem Abend keine Aktivitäten mehr statt.

Am nächsten Morgen setzte mich Fábio auf dem Weg zur Arbeit an der Rodoferroviária ab, von wo ich mit dem Serra Verde Express ursprünglich in das etwa 150 km entfernte Paranaguá an der Küste fahren wollte. Vor Ort erfuhr ich dann aber, dass der Zug an diesem Tag nur bis Morretes fuhr, was mich aber nicht davon abhielt, die Tour trotzdem zu machen. Zumal die Strecke bis Morretes sowieso der Höhepunkt der Fahrt sein soll.

Gegen 8:15 Uhr ging es los. Zunächst fuhren wir eine ganze Zeit lang durch die Landschaft auf der Hochebene, auf der Curitiba auf ca. 900 Meter über NN liegt. Dann ging es in das Küstengebirge der Serra do Mar und auf einer sehr kurvenreichen Strecke immer weiter abwärts in die Ebene von Paranaguá. Die Aussicht auf die wilde und völlig bewaldete Bergwelt der Serra do Mar war phantastisch! Der Zug schlängelte sich an den Berghängen entlang und umrundete den wohl höchsten Berg (vermutlich Pico do Marumbi) mit seiner felsigen Spitze. Das Meer konnten wir wegen der etwas eingeschränkten Sicht leider nicht sehen, wie ich es zuvor gelesen hatte. Und auch auf die sehr spektakulären Abschnitte der Strecke, während denen man angeblich von den linken Sitzplätzen (von denen ich per Zufall einen ergattert hatte) direkt in den senkrecht neben dem Gleis abfallenden Abgrund sehen konnte, wartete ich – abgesehen von einem sehr kleinen Stück – vergebens. Vielleicht waren diesbezüglich meine Erwartungen aufgrund der Beschreibungen im Reiseführer und auf der Website des Serra Verde Express einfach auch ein wenig zu hoch gesteckt. Die gesamte Fahrt war jedenfalls trotzdem ein super Erlebnis und ein Highlight dieses Ausflugs nach Curitiba, das ich auf gar keinen Fall missen wollte.

Bereits bei der Fahrt einige Kilometer vor Morretes hatte man das Gefühl in einer anderen Welt angekommen zu sein. Bisher habe ich von Brasilien – abgesehen von Foz do Iguacu und der Ilha de Santa Catarina – ja nur Städte oder deren direkte Umgebung gesehen. Hier schien irgendwie die Zeit still gestanden zu sein. Der Zug fuhr durch vollkommen ländliches Gebiet mit Plantagen und kleinen Siedlungen und unterwegs winkten immer wieder Kinder dem langsam vorbeizuckelnden Zug zu.

In Morretes angekommen, wollte ich mich erstmal um ein Ticket für den Bus zurück nach Curitiba kümmern. Also erkundigte ich mich auf Portugiesisch bei einem der Zugbegleiter nach dem Weg zur Rodoviária. Als dieser merkte, dass ich in der Sprache nicht heimisch bin, fragte er gleich: “English?”. Das ist mir hier in Brasilien bisher noch nicht so häufig passiert. Nachdem ich also wusste, wohin, wieso, warum, zog ich los, um mir das kleine Städtchen Morretes anzuschauen. Es war nichts besonderes, aber insgesamt ein nettes kleines Städtchen an einem kleinen Fluss und inmitten der Plantagen-Landschaft.

Da es bereits Mittag war, suchte ich mir erstmal ein schönes Restaurant am Fluss und genoss mein Mittagessen. Das für diese Region typische Barreado traute ich mich allerdings nicht zu versuchen, da ich gelesen hatte, dass es aus sehr fettigem Fleisch zubereitet wird. Anschließend bummelte ich noch ein wenig durch die Stadt. Mein Bus zurück nach Curitiba fuhr bereits am Nachmittag, so dass die Zeit leider nicht mehr reichte, noch ein Städtchen weiter nach Antonina zu fahren. Aber ich bin ja noch eine Weile in Brasilien und werde garantiert in die Gegend um Paranaguá zurückkehren, schon alleine weil es dort die angeblich sehr schöne Ilha do Mel und den Parque Nacional de Superagüi zu sehen gibt…

Gegen 16:00 Uhr fuhr dann mein Bus über die Estrada da Graciosa zurück nach Curitiba. Diese alte Straße durch das Küstengebirge gilt als Gegenstück zur Fahrt mit dem Serra Verde Express. Leider hatte sich das Wetter inzwischen deutlich verschlechtert, so dass wir von der Bergwelt nicht mehr so viel sehen konnten. Außerdem führte die Straße größten Teils durch den Wald. Trotzdem war die Aussicht aber an manchen Stellen sehr schön, gerade auch weil die Berggipfel teilweise im Nebel verschwanden und dadurch die ganze Atmosphäre ein wenig gespenstisch wirkte.

Fábio holte mich nach meiner Ankunft an der Rodoferroviária ab und nach ein paar Stunden Ausruhen in seinem Apartment trafen wir uns zum Abendessen mit zwei Freunden von ihm in einem spanischen Restaurant. Da die beiden kein Englisch konnten, war ich gezwungen portugiesisch zu sprechen, was insgesamt aber ganz gut ging. Leider habe ich zu wenig Gelegenheit dazu, da “man” einfach zu faul ist, wenn man weiß, dass die Gesprächspartner auch perfekt Englisch verstehen ;-)… Zumal ich immer noch Probleme mit der sehr schwierigen Aussprache und damit Hemmungen vor dem freien Sprechen habe.

Für den nächsten Tag hatte Fábio eine Tour durch die Stadt zu den schönsten Sehenswürdigkeiten geplant. Mit dem Auto fuhren wir diese gezielt an, was es zwar ein wenig “touristisch” nach dem Motto “Checkliste” werden ließ, es mir auf der anderen Seite aber ermöglichte sehr viele verschiedene Dinge in der Stadt zu sehen. Trotz angeblich sehr gutem öffentlichen Verkehrssystem wäre das mit dem Bus an einem Tag zumindest in diesem Umfang kaum möglich gewesen.

Zunächst ging’s zum Parque Tingüi, in dem sich ein Denkmal zu Ehren der ukrainischen Einwanderer in Curitiba bzw. Paraná befindet. Von dort in den Parque Tanguá, einem der größten Parks in Curitiba, der – wie die anderen auch – sehr schön und mit Liebe zum Detail angelegt war (Wasserspiele mit künstlichem Wasserfall, Tunnel als Verbindung der zwei ehemaligen Steinbrüche, etc.). Anschließend besichtigten wir die Ópera de Arame, deren Eisenkonstruktion sehr schön in einem kleinen künstlich angelegten Park liegt. Sie war wirklich das ungewöhnlichste “Opernhaus”, das ich bisher gesehen habe. Dasselbe trifft auch auf die Universidade Livre do Meio Ambiente zu, die auf unserem Trip an nächster Stelle stand. Diese kleine “Universität” liegt inmitten eines künstlich angelegten Dschungels und bietet kostenlose Kurse im Bereich Umweltschutz an. Die kleinen Gebäude hängen in einem Holzgerüst praktisch in der Felswand einer kleinen Schlucht mit einem See (siehe Fotos) – wirklich eine sehr eigenwillige Konstruktion.

Am Bosque Alemão, einem Park mit Denkmal zu Ehren der deutschen Einwanderer, war wieder gut die Liebe zum Detail der Curitibanos zu bewundern. Auf dem Fußweg zur Casa da Bruxa (= Hexenhäuschen) wurde das Märchen “Maria e João” (= Hänsel und Gretel) auf liebevoll angelegten Tafeln am Wegrand erzählt. In der Casa da Bruxa selbst wurden wir dann von einer sehr “modernen” Hexe empfangen, die dort doch tatsächlich verkleidet auf Besucher wartete und ganz begeistert von der Idee war, Fotos von Fábio und mir im Hexengewand zu machen (siehe Fotos).

Von hier ging es quer durch die Stadt zum Jardim Botânico, dem Botanischen Garten der Stadt. Dieser war verglichen mit den botanischen Gärten, die ich in Deutschland bereits gesehen habe, aber enttäuschend. Im Prinzip war es nichts weiter als ein weiterer Park mit einem kleinen Gewächshaus, das aber bis auf seine Architektur selbst nicht der Rede wert war. Inzwischen war es bereits deutlich nach Mittag und wir kehrten für ein Mittagessen in einem Fastfood-Restaurant ein, das wir auf dem Weg gesehen hatten.

Anschließend ging es zum Bosque João Paulo II, dem Papstwald, der zu Ehren des Papstes Johannes Paul II bei dessen Besuch 1980 eröffent wurde. Unter den Parks, die ich bisher gesehen hatte, war dieser eher unscheinbar und nicht unbedingt ein “Muss” auf der Liste der Sehenswürdigkeiten. Ganz anders das Museu Oscar Niemeyer unmittelbar neben dem Park, das vor allem wegen seiner für den Star-Architekten Oscar Niemeyer bekannten verrückten Architektur etwas ganz besonderes war. Das Gebäude bestand aus einem sehr flachen, in blendendem Weiß gestrichenen und sehr futuristisch wirkenden Teil und einem Turm, an dessen Spitze eine riesige ovale Plattform in Form eines Auges thronte. Oscar Niemeyer hat unter anderem auch Brasília, die Hauptstadt Brasiliens entworfen, die als die einzige futuristische Hauptstadt der Welt gilt und die ich mir auf meiner Reise durch Brasilien im Juli/August wahrscheinlich noch anschauen will. Er hat deutsche Vorfahren, ist aber in Rio de Janeiro geboren und selbst heute noch im Alter von 99 Jahren als Architekt tätig. Die Ausstellung moderner Kunst verschiedenster Epochen im Museum selbst war für Fábio und mich als “Kunstbanausen” eher weniger interessant.

Nach diesem beeindruckenden Gebäude, das eines der Highlights auf unserer Tour war, ging es zum Fernmeldeturm der Brasil Telecom, von dem wir eine tolle Aussicht über die Stadt hatten. Als letzte Station auf unserer “Erkundungsreise” hielten wir noch kurz im Parque Barigüi, der zu dieser Zeit am Nachmittag aber bereits sehr überlaufen war. Außerdem waren wir beide ziemlich erschlagen von der trotz Auto anstrengenden Tour und so fuhren wir anschließend zurück zu Fábios Apartment. Zum Abendessen ging es einige Stunden später dann zusammen mit Richter, ebenfalls ein ehemaliger AIESECer, nach Santa Felicidade, dem italienischen Viertel Curitibas. Die Atmosphäre dort war ein Erlebnis für sich, das Ródizio selbst zwar gut, aber nichts wirklich besonderes. Damit war ein weiterer ereignisreicher Tag zu Ende, an dem ich dank Fábio unheimlich viel gesehen hatte!

Da ich die meisten Sehenswürdigkeiten Curitibas bereits gesehen hatte, hatten wir uns für Sonntag nicht mehr so viel vorgenommen. Erstmal schliefen wir ein wenig länger aus und fuhren dann in die Innenstadt, um ein wenig über den dortigen Feira de Artensanato zu bummeln, einem Markt mit allem Möglichen von Kunst über T-Shirts und Spielzeug bis hin zu Oldtimern (allerdings nicht zum Kaufen *g*). Nachdem in Florianópolis Sonntags wie in den meisten brasilianischen Städten absolute “tote Hose” herrscht, war die Geschäftigkeit hier noch einmal ein Erlebnis. Anschließend schlenderten wir noch ein wenig durch die restliche Innenstadt, besichtigten den Passeio Publico und die Shopping Mall, die in und um den alten Bahnhof Curitibas errichtet wurde. Danach war meine Besichtigung von Curitiba komplett und wir fuhren zum Apartment zurück, wo ich die letzten paar Stunden vor meiner Rückfahrt nach Floripa am Abend mit Relaxen verbrachte.

Gegen 18:30 Uhr fuhr dann mein Bus zurück nach Floripa, wo ich gegen 22:00 Uhr ankam. Damit war ein weiteres ereignisreiches Wochenende zu Ende, an dem ich in kurzer Zeit sehr viel gesehen und erlebt habe – vielen Dank an Fábio!!!