Rural Rock Fest und Camping im Wilden

Letztes Wochenende war ich mit meinem Kollegen Zarko und ein paar Freunden von Lucas bei einem Rock Festival irgendwo im Nirgendwo auf dem Land ca. 20 km von Floripa entfernt. Das Ganze hat sich – wie könnte es in Brasilien auch anders sein? – sehr spontan ergeben. Aber alles der Reihe nach…

Zuerst hatte ich für das Wochenende keine besonderen Pläne bzw. wollte evtl. eine weitere Ein-Tages-Wanderung machen. Mehr durch Zufall hatte ich gehört, dass am Samstag die AIESEC “Discovery Days” stattfanden. Dabei wird neuen Membern AIESEC vorgestellt und natürlich schön viel Werbung gemacht, wie toll AIESEC ist usw.. Carol (eine der AIESEC-Member) hatte Zarko bereits gebeten, eine kleine Präsentation zum Thema “Exchange mit AIESEC” zu machen und am Donnerstag (also 2 Tage vor dem Event) kam sie mit derselben Bitte auch auf mich zu. Es sollte wohl nicht unsere nach AIESEC-Tradition noch ausstehende Country-Presentation werden, sondern wir sollten einfach ein Paar Worte über unsere Erfahrungen mit einem AIESEC-Exchange sagen.

Nach der Arbeit traf ich Zarko und Carol dann wieder im Chat und wir unterhielten uns ein wenig darüber, wie unsere Präsentation aussehen sollte. Dabei stellte Zarko dann urplötzlich fest, dass er für das Wochenende bereits eine Verabredung hatte. Ein paar Freunde von Lucas hatten ihn bereits Wochen vorher zu dem erwähnten Rock Festival eingeladen und bereits Karten besorgt. Natürlich war ich erstmal ziemlich enttäuscht, dass mir Zarko nichts davon gesagt hatte. Schließlich leide ich sowieso an dem Mangel an Aktivitäten hier, so dass ich gerne zu diesem Festival mitgegangen wäre.

Nach einigem Hin- und Her erfuhr ich dann, dass es kein weiteres Problem darstellen würde, noch Eintrittskarten für das Festival zu bekommen. Einzig ein Zelt zum Übernachten musste noch für mich organisiert werden. Also begann ich sämtliche Leute, die mir einfielen zu fragen, ob sie mir ein Zelt leihen könnten. Mein Mitbewohner Thiago schien schließlich die “Rettung” zu sein: Sein Vater hatte ein Zelt und er wollte es am nächsten Tag für mich holen.

Am Freitag Nachmittag gab es dann noch einmal ein wenig Hin- und Her, da Thiago erst am Abend zu seinem Vater fahren konnte, der ein wenig außerhalb von Floripa wohnte. Zarkos Freunde wollten aber schon recht früh zu diesem Festival fahren, so dass es zeitlich für mich einfach nicht möglich gewesen wäre. Zarko entschloss sich schließlich, auf mich zu warten und mit mir zusammen mit dem Bus nachzukommen.

Aber natürlich war das noch nicht alles, was nicht wie geplant ablief… Nachdem wir nach der Arbeit jeweils 1 kg Lebensmittel (einen Teil des Eintrittspreises zum Festival musste man in Naturalien bezahlen) gekauft hatten und ich gerade im Bus nach Hause saß, rief mich Thiago an und teilte mir mit, dass sein Vater das Zelt nicht mehr habe. Das war mal wieder typisch brasilianisch – er hatte natürlich am Tag vorher nicht angerufen, um sich danach zu erkundigen… Ich versuchte, noch irgendwie an das Zelt von meinem Boss Thiago (der andere Thiago *g*) zu kommen. Da der aber in Campeche etwas außerhalb von Floripa wohnt und zu dieser Zeit noch bei der Arbeit war, hätte das unsere Abfahrt erheblich verzögert. Das wollte Zarko aber vermeiden, der ja ohnehin schon auf mich gewartet und die Mitfahrgelegenheit mit seinen Freunden hatte saußen lassen. Also entschloss ich mich ohne Zelt mitzugehen und vor Ort nach einer Übernachtungsmöglichkeit (im Auto oder im überfüllten Zelt) zu suchen. Das ganze versprach ein ziemliches Abenteuer zu werden…

… und das wurde es dann auch! Schon die Busfahrt selbst war irgendwie bizzar. Nachdem wir die Stadt verlassen hatten fuhren wir ca. eine Stunde durch die Pampa – zum Teil auf Straßen, die nur gepflastert oder – wie ich bei der Rückfahrt feststellte – sogar nur eine Art breiterer Feldweg waren. Wir kamen zwar zwei oder drei Mal durch verschlafene Nester, aber zwischendurch fuhren wir praktisch nur die absolute Dunkelheit. In Santa Tereza angekommen machten wir uns auf den Weg zum Festival-Gelände, zu dem wir ca. einen Kilometer zu Fuß auf einem Feldweg durchs Gelände zurücklegen mussten. Die Gegend gefiel mir aber schon bei Nacht irgendwie und es war interessant auf diese Weise einmal ländlichere Teile Brasiliens zu erleben. Beim Festival angekommen, versuchten wir Zarkos Freunde per Handy zu erreichen, was allerdings ohne Erfolg blieb, da die Netzabdeckung sehr schlecht und das Netz natürlich völlig überlastet war. Also wanderten wir ein wenig über das Gelände und fanden sie nach einiger Zeit auch tatsächlich.

Die Party war schon im vollen Gange und nachdem wir unser Gepäck verstaut hatten, begaben wir uns auch ins Getümmeln – es waren allerdings bei weitem nicht so viel Leute da, wie ich bei einem solchen Event erwartet hätte. Das Gelände, auf dem das ganze Event stattfand, war aber sehr interessant: Es war eine alte “Cattle Ranch”, von der die Gebäude und Zäune etc. noch standen. Die Bühne war inmittem einer dieser eingezäunten Rinder-Sektionen aufgebaut, wie man sie aus Wild West filmen kennt und der Zeltplatz befand sich auf den alten Weiden. Die ganze Atmosphäre war irgendwie cool und eigentlich hätten wir zu Pferd dort sein sollen – unsere brasilianischen Gaucho-Hüte (Gaucho = bras. Cowboy) haben Zarko und ich ja schon ;-)…

Die Musik selbst dagegen war eigentlich nicht so mein Fall: Von “Classic Rock” bis “Rock muito pessado”, das auf der Website mit “Doom Metal” übersetzt war – was auch immer das wirklich sein sollte ;-). Trotzdem war das ganze Event für sich ein Erlebnis!

Die Bands spielten bis 4 Uhr nachts, wobei wir nicht bis zum Ende durchhielten und uns – abgesehen von Zarko, der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufzufinden war – zwischen 2 und 3 Uhr zu den Zelten begaben. Da Bruno (einer von Zarkos Freunden) meinte, dass sie genug Platz im Zelt hätten, hatte ich irgendwie automatisch einen Platz zum Schlafen gefunden. Am nächsten Morgen erfuhr ich dann, dass dafür Zarko im Auto übernachtet hatte ;-).

Der Blick über das “wilde” Zeltlager” nach dem Aufstehen war irgendwie krass. Am Freitag waren wir ja bei Dunkelheit angekommen und hatten deshalb nicht allzu viel davon gesehen. Überall kamen die bizzaresten Typen aus den Zelten gekrochen. Sogar eine Dusche mit eiskaltem Wasser vom nahen Bach hatten die Organisatoren aufgebaut und so standen wir Schlange, um mit Hilfe dieser ein wenig wacher zu werden ;-).

Zum Mittagessen wanderten wir alle zusammen nach Santa Tereza und verbrachten dort einige Zeit. Natürlich waren wir alle ziemlich müde und hingen eigentlich die meiste Zeit irgendwie herum. Am Abend wiederholte sich das ganze Spiel mit Rockmusik und Party, wobei es am frühen Abend leider zu regnen anfing, was das ganze ein wenig ungemütlich werden ließ. Diesmal spielten die Bands bis um 3:30 Uhr, aber Zarko und ich kehrten bereits früher zu unserem “Zeltplatz” zurück. Die Nacht verbrachte diesmal ich im Auto, was natürlich deutlich unbequemer war als im Zelt. Aber immerhin hatte ich einen Platz zum Schlafen und war sowieso viel zu müde, um groß darüber nachzudenken.

Am nächsten Morgen war das Wetter bei weitem nicht mehr so schön als am Tag zuvor. Es war kühler geworden und ziemlich bedeckt. Die kalte Dusche fiel deshalb auch ganz schön schwer ;-). Im Prinzip spielte sich alles wie am Tag zuvor ab: Wir verbrachten irgendwie den Tag – u.a. mit Relaxen und in der Sonne liegen, die am späteren Nachmittag zumindest zeitweise noch herauskam. Der Platz vor der Bühne war inzwischen zu einem reinen Schlamm-Bad geworden, so dass wir die Bands an diesem Tag aus größerer Entfernung erlebten.

Offiziell ging das Event bis 15:00 Uhr am Nachmittag. Zarko und ich machten uns aber schon gegen 13:30 Uhr auf den Rückweg, da wir mit dem Bus etwa eine Stunde bis in die Stadt brauchten und beide nicht erst am späten Nachmittag zu Hause ankommen wollten. Gegen 16:00 Uhr war ich dann schließlich zu Hause und ein wirklich sehr “ungewöhnliches” Abenteuer war beendet. Auch wenn die Musik wirklich nicht das war, was ich mir normalerweise anhöre, bereue ich es nicht, dort gewesen zu sein. Alles in allem war es einfach ein Erlebnis, das man nicht jeden Tag geboten bekommt!