Nach einem finalen stressigen Freitag Nachmittag bzw. Abend im Büro – alles musste wieder auf den letzten Drücker fertig werden – hatte ich zumindest vor meiner Abreise nach Rio de Janeiro noch eine erholsame Nacht. Das tat insbesondere meiner Erkältung gut, die ich mir aufgrund des Temperatursturzes zu Beginn der vergangenen Woche eingefangen hatte. Nachdem ich also gegen 8:00 Uhr aufgestanden war, musste ich zunächst noch packen, da ich das am Vorabend nicht mehr geschafft hatte. Zudem waren meine in den letzten Tagen frisch gewaschenen Kleider noch nicht trocken geworden, was mich einmal mehr zum Improvisieren zwang – diesmal aber mit einem Ölradiator statt nur mit einem Ventilator wie in São Miguel.
Trotz allem lag ich perfekt in der Zeit, konnte in aller Ruhe packen und gegen 10:00 Uhr mit dem Bus zum Flughafen fahren. Inzwischen habe ich gelernt, dass es hier besser ist, sich auf offizielle Transportmittel als auf irgendwelche Absprachen mit AIESECern zu verlassen. Auf dem Flughafen angekommen, checkte ich auch nach kurzer Wartezeit problemlos ein. Allerdings erfuhr ich, dass mein ester Flug nach São Paulo deutlich Verspätung hatte und statt um 13:10 Uhr nun erst um 15:30 Uhr abfliegen sollte. Nach den Warnungen meiner Kollegen bezüglich des Chaos auf dem Flughafen Congonhas in São Paulo und den Erzählungen von Zarko über seinen letzten Flug dorthin überraschte mich das allerdings nicht weiter und beunruhigte mich hinsichtlich meines Anschlussfluges nur geringfügig. Ich verließ mich einfach auf die Fähigkeit der Brasilianer, Probleme “irgendwie” zu lösen!
Um etwa 14:45 Uhr entschied ich mich, in der noch verbleibenden Zeit eine Kleinigkeit essen zu gehen und prompt wurde dann mein Flug aufgerufen. Los ging’s in Richtung São Paulo Congonhas…
… wo ich allerdings nicht ankam – oder zumindest nicht auf dem erwarteten Weg. Über São Paulo begann der Pilot plötzlich eine Warteschleife nach der anderen zu fliegen und wir wurden schließlich wegen des angeblich starken Regens nach Campinas umgeleitet. Natürlich machte ich mir einige Gedanken, was nun aus meinem Anschlussflug werden würde. Da ich allerdings in diesem Moment sowieso nichts machen konnte und mir die Stuardess versicherte, dass man sich nach der Ankunft darum kümmern werde, schob ich meine Bedenken schnell zur Seite. Tatsächlich wunderte ich mich über mich selbst, wie gelassen ich die Situation hinnahm während andere Reisende viel besorgter zu sein schienen. Das galt insbesondere für die gesamte Odysee, die mir noch bevorstehen sollte…
Gegen 17:30 Uhr hatten wir Campinas erreicht und ich wurde von GOL-Mitarbeitern am Ausgang des Flughafens abgefangen und samt Gepäck in einen bereits wartenden Reisebus nach Congonhas dirigiert. Dieser brachte mich und all die Mitreisenden in etwa 1,5 Stunden zurück nach Congonhas. Man vergleiche die Flugzeit von Florianópolis nach Campinas von 50 min mit der Fahrzeit des Transfers zurück zum eigentlichen Bestimmungsort ;-)…
In Congonhas wurde ich dann auf den nächsten Flug um 19:12 Uhr umgebucht, den ich trotz Eile und Spurt zum Gate allerdings nicht mehr erreichte. Der nächste Flug sollte kurz darauf gehen, hatte aber bereits mindestens 2 Stunden angekündigte Verspätung und war noch nicht bestätigt worden. Da mir nichts anderes übrig blieb buchte ich auf diesen Flug um. Ich stellte zwar fest, dass es auch noch einen früheren Flug nach Rio de Janeiro Galeão gab, auf den ich aber aus irgendwelchen Gründen nicht umgebucht werden konnte. Außerdem war mir zu diesem Zeitpunkt eine Ankunft auf dem Stadtflughafen Santos Dumont auch noch lieber. Diese Präferenz sollte sich im Laufe der Nacht aber noch ändern…
Gerade nachdem ich mir etwas zu essen geholt und damit begonnen hatte, diese Zeilen zu verfassen, wurden wir von einem GOL-Mitarbeiter informiert, dass der Flug auf 21:20 Uhr voraussichtlicher Abflug angekündigt worden war. In der Zwischenzeit lud GOL alle in ein Restaurant zum Essen ein. So hatte es sich zumindest diesbezüglich ausbezahlt, nicht auf den Flug nach Galeão umgebucht zu haben.
Nach einem durchaus recht guten Abendessen wurde uns mitgeteilt, dass das Problem irgendetwas mit dem Wetter zu tun hatte. Genau habe ich es nicht verstanden. Jedenfalls wurden wir nach kurzer Irritation in Busse verfrachtet und auf den internationalen Flughafen von São Paulo in Garulhos gefahren. Dort angekommen, drehten die Busse erstmal eine Ehrenrunde um das Terminal-Gebäude, da wohl niemand so recht wusste, wo wir abgeliefert werden sollten. Trotzdem schien alles irgendwie noch halbwegs organisiert abzulaufen und die Stimmung im Bus war erstaunlich gut. Die Brasilianer schienen dieses Abenteuer als Spaß aufzufassen. Nach der Ankunft ging es schnurstraks zum Eincheck, am Boarding-Gate brach dann aber das vollständige Chaos aus. Während wir unwissend warteten und warteten wurde ein TAM und Varig-Flug nach dem anderen am gleichen Gate aufgerufen. Nach mindestens einer weiteren 3/4 Stunde wurde es plötzlich sehr laut als ein paar Reisende ausrasteten und schimpfend auf die GOL-Mitarbeiter losgingen. Leider verstand ich während der ganzen Warterei immer nur maximal die Hälfte der Neuigkeiten und war deshalb einfach immer der Menge hinterher getrabt oder hatte mich bei Mitreisenden über die aktuelle Situation erkundigt.
Bis etwa Mitternacht geschah ansonsten nichts weiter und wir mussten einfach warten wie sich die Situation entwickeln würde. Schließlich hieß es, dass um 0:50 Uhr ein Flug nach Rio Galeão gehen würde und wir wurden an ein anderes Gate verwiesen. Dieses Spiel wiederholte sich noch einmal und dann hieß es wieder warten. Um die Zeit zu überbrücken (inzwischen war es nach 1 Uhr nachts) begann ein Reisender Gitarre zu spielen und die brasilianischen Mitreisenden sangen dazu. Die Stimmung war trotz der enormen Verspätung (geplante Ankunft in Rio 17:00 Uhr) erstaunlich gut. Es war ein Erlebnis für mich, zu sehen wie “tranqüilo” die Brasilianer die Situation hinnahmen. In Deutschland würde man so etwas wohl eher nicht erleben.
Gegen 01:30 Uhr ging es dann endlich los – nach Rio Galeão anstatt nach Santos Dumont, da dieser zu so später Stunde geschlossen war, wie ich später erfahren sollte. Aber darüber machte ich mir inzwischen keine Gedanken mehr und schmiedete bereits Pläne wann und wo ich einem GOL-Mitarbeiter klar machen würde, dass ich ein von GOL bezahltes Hotel am Ankunftsort und einen Taxi-Transfer dorthin wünschte.
Diese Überlegungen traten mit dem nächsten Hammer nach unserer Ankunft allerdings erstmal in den Hintergrund. Nämlich als ich feststellte, dass mein Gepäck in dem inzwischen geschlossenen Flughafen Santos Dumont lag. Nach einigem Hin- und Her war ich gegen 04:30 Uhr dann endlich auf dem Weg zu einem Hotel, das von GOL bezahlt wurde. Im ebenfalls von GOL bezahlten Taxi, aber ohne Gepäck. Dort angekommen fiel ich nur noch todmüde ins Bett.
Am nächsten Morgen versuchte ich dann mit Hilfe der Hotelangestellten mein Gepäck zurückzubekommen, was nach einiger Wartezeit und mehrfachen Anrufen bei GOL zum Glück auch klappte. Beim Auschecken aus dem Hotel stellte ich dann fest, dass ich einem der High-End Hotels genächtigt hatte: Einfachstes Zimmer 300 R$ – man vergleiche das mit dem Wert meines Fluges von 189 R$. Kein wirklich lukratives Geschäft für GOL…
Carola von AIESEC Rio und ein anderer AIESECer holten mich dann am Hotel ab und wir fuhren zwei Hostels an, die ich in meinem Reiseführer gefunden und vom Hotel aus bereits angerufen hatte. Carola hatte keinen Erfolg damit gehabt, mich bei einem AIESECer unterzubringen und auch kein Hostel organisiert, wobei ich mir auch nicht sicher, wie sehr sie sich dafür ins Zeug gelegt hatte. Im zweiten Hostel in Copacabana checkte ich dann gleich ein und wir gingen anschließend erstmal etwas essen. Wegen dieser ganzen Odysee hatte ich kein Frühstück gehabt und seit dem von GOL finanzierten Abendessen nichts richtiges gegessen. Danach ruhte ich mich für ein paar Stunden im Hostel aus und traf mich Abends mit Sabrina, einer AIESECerin, die 6 Jahre in Deutschland verbracht hatte. Später stieß auch Carola noch dazu.
Der Heimweg spät in der Nacht wurde dann zumindest für Sabrina noch eine kleine Odysee, da keine Busse mehr zu ihr nach Hause fuhren. Das ist schon irgendwie erstaunlich: In einer Weltmetropole wie Rio würde man ja erwarten, dass es durchgängig öffentliche Transportmittel gibt. Weit gefehlt – ab Mitternacht wird es hier schon sehr eng, zumal nicht alle Verbindungen aufgrund des Sicherheitsproblems eine Option waren.
Jedenfalls lieferten wir Sabrina nach einigem Hin- und Her bei einem Freund ab. Allein konnte oder wollte sie aus Sicherheitsgründen nicht dorthin gehen. Ich bekam so schon in der ersten Nacht einen Eindruck von der allgegenwärtigen Sicherheitsproblematik in Rio de Janeiro. Später sollte ich damit aber noch tiefgreifendere Erfahrungen machen… (Da ich diesen Blogeintrag ja im Nachhinein schreibe konnte ich mir diesen vorgreifenden Kommentar nicht verkneifen.)
Nachdem Sabrina also untergebracht war, ging es für uns auch endlich zurück zur Copacabana. Die Wahl des Hostels schien schon aus Infrastruktur-Gründen sehr gut gewesen zu sein. Zwischen Ipanema und Copacobana fahren auch später in der Nacht noch Busse oder Vans.