So, 12.08.2007, Tag 23 (Brasília)

Unsere Ankunft in Brasília gegen 6:00 Uhr riss mich aus meinem Halbschlafzustand, in dem ich den größten Teil der Fahrt verbracht hatte. Zusammen mit Nicola und Stefano, den beiden Italienern suchten wir erstmal einen der Rodoviária-typischen Imbiss-Stände für einen Café auf. Unter allen Rodoviárias, die ich bisher kennen gelernt habe, war das hier die komischste. Alles wirkte irgendwie halbfertig und improvisiert. Aber da wir uns ja nicht lange hier aufhalten wollten, konnte uns das gerade egal sein.

Auf der Suche nach einem Bus in die Stadt, machten wir dann die erste seltsame Entdeckung: Es gibt in Brasília zwei Rodoviárias: Zum einen die neue Rodoferroviária, an der wir soeben angekommen waren und die Estação Central, die die Locals “Rodoviária” nannten. Nach ein wenig Herumfragen hatten wir den einzigen Bus gefunden, den es hier zu geben schien und der uns zur Rodoviária im Zentrum brachte. Dort trennten sich unsere Wege, da Nicola und Stefano ein Hotel in der Nähe des Zentrums aufsuchen und ich das HI Hostel ausprobieren wollte. Wenig später sollte ich herausfinden, dass ich mir ohne weiteres auch ein deutlich teureres Hotel hätte leisten können und damit bei den zusätzlichen Kosten für Taxis wahrscheinlich sogar besser gefahren wäre. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.

Nachdem ich nach der üblichen Herumfragerei mit diversen widersprüchlichen Antworten schließlich die Box gefunden hatte, an der der Bus zum Hostel abfahren sollte, fand ich heraus, dass dieser heute irgendwie nicht fuhr. Ein wenig entnervt nahm ich deshalb ein Taxi und wurde dabei gleich mal übers Ohr gehauen. Auf die Frage, wieviel es etwa zum Hostel kosten würde, wurden mir 20 R$ genannt. Als ich beim Losfahren nach dem Einschalten des Taxameters fragte, meinte der Fahrer, dass es dann etwa 22 R$ kosten würde. Später fand ich heraus, dass es in Wirklichkeit ca. 10 R$ waren. Das einzig Gute an dieser dauernden Bescheißerei hier in Brasilien ist, dass die Beträge in Euro umgerechnet nicht so gewaltig sind, dass man daran zu Grunde geht. Trotzdem ärgert man sich natürlich jedes Mal aufs Neue.

Am Hostel angekommen, das wirklich ziemlich außerhalb in der Pampa neben einem Campingplatz lag, auf dem ich aber kein einziges Zelt sah, erfuhr ich, dass die Busverbindungen Sonntags “schwierig” (O-Ton) seien. Immerhin hatten sie dort aber eine Art Fahrplan aushängen, nach dem ich ausreichend Zeit für eine Dusche hatte, bevor der nächste Bus zurück in die Stadt fuhr.

Das Problem war nur, dass der angekündigte Bus nie kam. Ich wartete und wartete und versuchte mich als Anhalter, was bei brasilianischen Autofahrern aber keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Schließlich gab ich entnervt auf und ließ ein Taxi rufen. Ich hatte fast schon den Entschluss gefasst, in der Stadt nach einem Mietwagen Ausschau zu halten. Die Fahrt kostete dann aber “nur” 10 R$ statt der 20, die ich auf dem Hinweg bezahlt hatte. Daher schob ich diese Idee unter Berücksichtigung der Fahrweise der Brasilianer und der Verkehrsverhältnisse in Brasília (Hauptstraße mit 6 Spuren pro Richtung) wieder bei Seite.

An der Rodoviária angekommen machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum “Platz der drei Gewalten”, um den herum der Präsidentenpalast, der Kongress und Senat und der oberste Gerichtshof angesiedelt waren. Auf dem Weg dorthin kam ich an der “Cathedral Metropolitana” vorbei, die wie die meisten öffentlichen Gebäude in Brasília vom brasilianischen Star-Architekt Oscar Niemeyer entworfen worden war. Sie ist dementsprechend futuristisch und ohne das Kreuz auf der Spitze der Kuppel würde wohl niemand auf die Idee kommen, sie für eine Kirche zu halten.

Mit diesen ersten fantastisch futuristischen Gebäuden war mein Unmut über das Verkehrsproblem erstmal vergessen. Jetzt war ich ja mittendrin in dem Teil Brasílias, wegen dem ich extra hier her gekommen war. Von der “Cathedral Metropolitana” ging ich direkt weiter zum Präsidentenpalast, da ich gelesen hatte, dass dieser nur Sonntags zu besichtigen war. Und tatsächlich bekam ich auch eine Führung zusammen mit einer Gruppe anderer Teilnehmer. Leider zwar auf Portugiesisch, aber das Wesentliche bekam ich schon mit.

Nach dem Präsidentenpalast schlenderte ich zunächst ein wenig über den “Praça de Três Poderes”, der eigentlich nichts weiter war als ein großer betonierter Platz mit einigen Skulpturen und zwei Ausstellungsräumen. Da ich zuvor am Palacio Itamaraty (= Sitz des Außenministeriums) bereits auf später vertröstet worden war, kehrte ich dann dorthin zurück und traf zufällig Nicola und Stefano wieder, die gerade von einer Tour kamen. Sie wollten weiter zum TV-Tower, wo wir uns später evtl. treffen wollten. Ich selbst nahm erstmal an der nächsten Führung durch den Palast teil, dessen Gebäude sowohl von außen als auch von innen genauso beeindruckend war wie schon der Präsidentenpalast. Die Niemeyer’schen Entwürfe sind wirklich sehr für Regierungsgebäude geeignet, da sie diese gewisse “Stärke” und “Gewalt” ausstrahlen, die solchen Gebäuden meines Erachtens anhaften sollte.

Lustig an der Führung durch den “Palacio Itamaraty” war, dass wir praktisch nur durch Säle für Cocktail-Empfänge und Dinner geführt wurden. Scherzhaft konnte man sich da fragen, ob die Herren Diplomaten auch irgendwo arbeiteten.

Nach der Führung – die nebenbei z.T. doch in Englisch gehalten worden war – machte ich mich auch auf zum TV-Tower. Da die 75 Meter hohe Aussichtsplattform vom Boden aus nicht besonders hoch ausgesehen hatte, versprach ich mir zunächst nicht allzu viel vom Ausblick über die Stadt. Meine Erwartungen wurden aber um Längen übertroffen: Man konnte von da oben sehr schön die künstliche Flugzeugform der Stadt erkennen und bekam einen tollen Eindruck von ihrem total symmetrischen Entwurf. So verweilte ich auch einige Zeit auf dem Tower und machte mich dann auf den Weg zurück zum Kongress, von dem aus ich den Sonnenuntergang bewundern wollte. Dieser war über der Stadt wirklich schön anzusehen, wobe er vom Dach der konkaven Kuppel des Kongresses vermutlich noch schöner gewesen wäre. Entgegen den Informationen in meinen Reiseführern konnte man aber wohl nicht dort oben umher laufen.

Da ich zum Mittagessen nur einen HotDog, ein paar Chips und Süßigkeiten gehabt hatte, wollte ich nach dem Einbruch der Dunkelheit in eines der großen Einkaufszentren fahren. Wegen des chaotischen Bussystems und der Tatsache, dass Nachfragen einen meist nur mehr verwirrte, beschloss ich gleich ein Taxi zu nehmen, was aber leider nicht ganz billig war. Da war es also wieder – das Transportproblem in dieser so super durchdachten und organisierten, aber nicht für Fußgänger geplanten Stadt. Brasília war eben definitiv nur für Leute mit Auto entworfen worden. Unter diesem Gesichtspunkt kann man sich natürlich streiten, ob man die Stadt als Beispiel einer Stadt des 3. Milleniums anerkennen möchte oder nicht.

Das Einkaufszentrum lag schön am Ufer des künstlichen Sees “Lagoa Paranoa” und nach dem Essen vertrieb ich mir die Zeit noch ein wenig an dessen Ufer sitzend. Einmal mehr wollte ich versuchen, wenigstens bis zur Rodoviária mit dem Bus zu fahren – und einmal mehr kam dieser nicht, oder zumindest nicht annähernd zu der Zeit, die mir ein Parkplatzwächter nannte. Und so blieb mir nichts anderes übrig, als für 30 R$ mit dem Taxi zum Hostel zurück zu fahren.

Dort angekomen traf ich dann auch wieder auf Andy und aus ein paar Worten hin- und her entwickelte sich eine lange und handfeste Diskussion über Weltverschwörungen, von denen Andy ein großer Fan war. Die Diskussion dauerte dann auch bis ca. 0:30 Uhr und wäre vermutlich die ganze Nacht weiter gegangen, wenn ich nicht ziemlich müde mein Bett aufgesucht hätte.