Trekking im Parque Nacional Conguillío (Teil 1)

(Nachtrag von Donnerstag, 05.12.2013)

Nur sehr schwer schaffe ich es heute Morgen aus dem Bett. Gestern Abend ist es eben doch später geworden als gedacht. Für einen kurzen Moment denke ich über eine Planänderung nach, zumal die tatsächliche Erreichbarkeit des Parks ja auch noch fraglich ist. Aber dann raffe ich mich auf und sage mir “wer nicht wagt, der nicht gewinnt!” und breche auf zum Bus-Terminal – allerdings erst, nachdem ich die hoch moderne Schließanlage des Hostels erfolgreich bedient habe: Beim Verlassen wird ein Holzbalken so hinter der Haustüre positioniert, dass er diese beim Zuziehen von innen verbarrikadiert.

Am Terminal sind tatsächlich schon einige Leute unterwegs und es kommen drei Minibusse nach Temuco vorbei. Bei allen frage ich geduldig, ob sie nach Captrén fahren und werde auf den nächsten Bus vertröstet. Was ich kaum mitbekomme ist, dass zwischendurch der richtige, etwas größere Bus ohne nennenswerten Halt vorbei fährt. Als ich schließlich gegen 06:15 Uhr einen Einheimischen frage, wird mir klar, dass ich den einzigen Bus somit verpasst habe.

Da es heute keine andere Möglichkeit mehr gibt, nach Captrén zu kommen, gehe ich zurück zum Hostel. Dort ist natürlich um diese Zeit noch alles verschlossen und auch den geheimen Hintereingang, von dem mir die beiden Schweizer Sandra und Daniel erzählt hatten, bekomme ich nicht geöffnet. Also setze ich mich erstmal auf den Platz im Zentrum, um Alternativpläne zu schmieden. Zuerst denke ich darüber nach, einfach weiter zu fahren und den Parque Nacional Conguillío abzuhaken. Dann werde ich auf den Taxi-Stand direkt am Platz aufmerksam und denke mir, fragen kostet ja nichts. Der Lonely Planet schreibt etwas von 30.000 Pesos für die Fahrt zum Parkeingang. Entsprechend positiv überrascht bin ich vom dem Preis von 25.000 Pesos, den ich sofort genannt bekomme. Ich frage mehrfach nach, ob ich damit tatsächlich am Eingang des Parks und nicht wie mit dem Bus 12 km davor in Captrén abgesetzt werde. Mein Zögern reduziert den Preis dann sogar noch auf 20.000 Pesos, ohne dass ich eine harte Verhandlung im Sinn hatte. Wieder einmal sage ich mir “Ach was soll’s – wann kommst du schon mal wieder hier her?” und nehme das Angebot an. Eine Fahrt direkt zum Parkeingang ist schließlich alle Mal besser als von Captrén erst noch eine andere Transportmöglichkeit zu finden, oder die 12 km zu laufen.

Kurz bevor wir die Stadt verlassen, fällt dem Taxi-Fahrer auf, dass er noch tanken muss. Also geht es nochmal zurück. Die erste angefahrene Tankstelle hat noch geschlossen und ich bekomme Zweifel, ob mein Fahrer den Deal wohl doch noch platzen lassen will. An der zweiten Tankstelle bekommen wir dann aber Benzin und es kann losgehen.

Ein paar Kilometer nach der Stadtgrenze wird die Straße zu einer Schotterpiste. Mein Fahrer heizt aber unbeirrt weiter, obwohl es Schläge tut und das nicht mehr ganz taufrische Taxi einmal sogar mit dem Unterboden aufsitzt.

Während der Fahrt kann ich immer wieder die perfekte Form des Volcán Llaima bewundern und das letzte Stück führt durch eine Vulkanlandschaft, wie ich sie bereits von den Cap Verden und Teneriffa kenne. Schilder warnen vor vulkanischen Aktivitäten, was hier vermutlich nicht ganz unberechtigt ist. Schließlich brechen in Chile immer wieder einige der zahllosen Vulkane aus und der Kollege hier, der als einer der aktivsten Chiles gilt, spukte passend zu Neujahr 2008 das letzte Mal Lava. Dieses Schauspiel fehlt mir einfach definitiv noch auf meiner Liste von Erlebnissen!

Nach vielleicht einer dreiviertel Stunde Fahrt setzt mich mein Fahrer an der völlig verlassen Ranger-Station am Patkeingang am Fuße des Volcán Llaima ab. Als das Taxi abdüst wird mir für einen kurzen Moment schon etwas mulmig: Die Fahrt hier her hat länger gedauert als ich dachte und langsam ist mein Fahrer auch nicht gerade gefahren. Was, wenn ich hier völlig allein strande?

Schnell schiebe ich diese Gedanken beiseite und trabe los in den Park hinein. Kurze Zeit später komme ich an die Laguna Captrén, wo auch ein Wohnmobil und ein Auto stehen. Es ist zwar kein Mensch zu sehen, aber zumindest scheine ich nicht ganz allein zu sein. Zumal das Wohnmobil den Eindruck erweckt als schlafe darin noch jemand.

An der Lagune beginnt ein Wanderweg durch den Wald, von dem ich der Bezeichnung nach vermute, dass er mich zu der größeren Laguna Conguillío führen würde. Dort, so die Info der Hostelbetreiber, könne ich campen. Also marschiere ich los.

Der Weg verläuft zunächst entlang der kleinen Lagune und macht einige U-Turns. Kurz zweifle ich, ob er wohl nur um die Lagune herum führt und ich lieber der Schotterpiste hätte folgen sollen, aber dann biegt der Weg in die mir richtig erscheinende Richtung ab.

In Gedanken versunken laufe ich immer dem Weg nach durch den Wald. Vereinzelt gibt dieser den Blick frei auf den Volcán Llaima und die Gebirgskette der Sierra Nevada. Zumeist bekomme ich aber nur den Araucania/Coigüe-Mischwald zu sehen. Der Weg verläuft überwiegend eben und steigt nur einige wenige Male spürbar an.

Unterwegs kämpfe ich immer wieder gegen fast unsichtbare, sehr wohl aber spürbare Spinnweben zwischen den Sträuchern und schrecke einmal wohl die Kinderstube eines kleinen Vogels auf. Mama und Papa beschimpfen mich daraufhin lauthals und sind auch hörbar ungehalten darüber, dass ich nur wenige Schritte später eine kleine Rast einlege.

Schließlich passiere ich einen kleinen Bachlauf und der Weg fällt deutlich in ein Tal ab. Schon habe ich durch den Wald einen kurzen Blick auf die Laguna Conguillío erhaschen können und wenig später komme ich wieder auf der Schotterpiste raus. Ein paar Meter weiter befindet sich auch schon das Centro de Informaciones, in dem auch tatsächlich jemand da ist.

Ich bekomme die Bestätigung, dass das Campen offiziell nur an der Laguna Conguillío, nicht jedoch wie im Rother Wanderführer beschrieben oben in der Sierra Nevada erlaubt ist. Ich müsse mich nur unten in der Rezeption an der Lagune anmelden. Also gehe ich das letzte Stück dorthin hinunter.

Der Ausblick, der sich mir dort bietet, macht schlagartig die etwas beschwerliche Anfahrt vergessen und führt alle Überlegungen, diesen Park auszulassen ad absurdum! Aus dem Wald hinter mir ragt majestätisch der perfekt geformte und vergletscherte Kegel des Volcán Llaima heraus und am gegenüberliegenden Ufer erstreckt sich die ebenfalls schneebedeckte Gebirgskette der Sierra Nevada! Dazwischen die Laguna Conguillío mit ihrer tiefblauen Farbe – einfach unbeschreiblich schön und jede Strapazen wert! (Anm. des Autors: Ich habe bei diesem Anblick leider völlig vergessen, Fotos im JPEG-Format zu machen, deshalb müsst ihr leider warten, bis ich zurück bin und die zahlreichen RAW-Fotos konvertiert habe! Aber die werden dafür umwerfend – versprochen! Und Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude 🙂 )

Nachdem ich ein wenig die Aussicht genossen habe gehe ich zum Gebäude der Administración. Außer ein paar Bauarbeitern scheint aber niemand da zu sein und erst auf meine Nachfrage hin bekomme ich mitgeteilt, dass in Kürze jemand kommen wird. Ich warte ein paar Minuten und werde von den Einheimischen interessiert gemustert. Dann überlege ich mir, dass es eigentlich doof ist, hier herumzusitzen. Falls jemand Interesse an meiner Anmeldung und damit meinem Geld hat, wird er sich schon melden. Also gehe ich in Richtung des ausgeschilderten Campingplatzes. Der liegt leider nicht direkt am Ufer der Lagune, wie ich mir das vorgestellt hatte. Deshalb zögere ich noch einen Moment und Frage mich, ob ich mein Zelt wohl einfach direkt am Wasser aufschlagen kann. Im Centro de Informaciones wurde mir das angedeutet. Einen Moment später spricht mich ein Einheimischer an, der mich auch schon zusammen mit den Bauarbeitern gemustert hatte und hier so etwas wie der Chef zu sein scheint. Von ihm erfahre ich, dass das Campen nur auf den ausgewiesenen Plätzen erlaubt ist und ich mein Zelt dort ruhig schon aufstellen könne. Mit direkt an der Lagune campen ist also nix :-(.

Dem Hinweis folgend laufe ich über den Campingplatz und suche mir die vermeintlich schönste Parzelle aus. Der Platz bietet alles benötigte, bis hin zu warmen Duschen!

Ich baue mein Zelt auf und bereite mir erstmal ein kleines Frühstück aus meinen mitgebrachten Haferflocken. In der Zwischenzeit kommt ein Bus voller älterer Einheimischer an, die ich zunächst für Arbeiter halte.

Nach dem Frühstück ruhe ich mich ein wenig aus und breche dann auf in Richtung Lagune. Zunächst frage ich nochmal in der Administración wegen meiner Anmeldung nach und werde dieses Mal an die benachbarte Ranger-Station verwiesen. Dort verweist man mich zurück an die Administración und meint dann, dass ich einfach losgehen könne, es würde sich dann schon jemand melden. Offensichtlich hat die Hauptsaison noch nicht begonnen und wegen so vereinzelten Besuchern wie mir macht man sich nicht den Aufwand, Ankünfte zu überwachen. Zumindest war ich ehrlich und habe es versucht.

Ohne einen genauen Plan laufe ich zunächst einfach etwas an der Lagune entlang. Alle paar Meter stoppe ich zum Fotografieren (mit nettem Gruß an meinen Leser Nico), denn die Aussicht ist einfach derart genial, dass ich mir die entsprechenden Bildkompositionen nicht entgehen lassen kann. (Anm. des Autors: Auch diese Fotos gibt’s bisher nur im RAW-Format, sorry 😉 )

Nach vielleicht einer Stunde treffe ich auf ein Schild, das den Weg hinauf in die Sierra Nevada ankündigt. Diese war ja das ursprüngliche Ziel und so folge ich dem Weg einfach weiter, ohne genau zu wissen, wie weit ich kommen würde. Wegen des Verbots, oben zu campen, hatte ich meine Ausrüstung ja auf dem Campingplatz an der Lagune zurück gelassen.

Eine weitere halbe Stunde später treffe ich auf einen Wegweiser mit Entfernungsangaben. Bis zum ersten Aussichtspunkt sind es nur 800 Meter, bis zum zweiten etwas mehr als 2 Kilometer und bis ganz hinauf in die Sierra Nevada etwa 6 Kilometer. Spontan beschließe ich, einfach weiter zu gehen und unterwegs irgendwo umzukehren, wenn die Uhrzeit dies gebieten würde. Zum Glück wird es hier erst so gegen 21:00 Uhr dunkel und so habe ich noch ausreichend Zeit, um noch bei Helligkeit wieder den Campingplatz zu erreichen.

Der Weg verläuft nun recht steil ansteigend durch den Wald. Von ersten Aussichtspunkt bietet sich eine gigantische Aussicht auf die Laguna Conguillío und so mache ich hier eine Weile Rast.

Während ich so völlig alleine die atemberaubende Aussicht genieße, höre ich plötzlich Stimmen und wenig später tauchen zwei britische Pärchen mittleren Alters auf. Wir kommen kurz darauf ins Gespräch und so erfahre ich, dass sie mit dem Mietwagen hier sind und ebenfalls hoch in die Sierra Nevada wollen.

Ich beschließe, noch mindestens zum nächsten Aussichtspunkt, dem Mirador los Condores, weiter zu gehen und frühestens von dort wieder abzusteigen. Der Weg führt wieder leicht absteigend durch den Wald und unterwegs hole ich die beiden britischen Pärchen wieder ein, die vor mir den ersten Aussichtspunkt verlassen hatten.

Der Blick vom Mirador los Condores stellt noch einmal alles bisherige in den Schatten! Während links der Kegel des Volcán Llaima thront, erhebt voraus und rechts die Sierra Nevada – und weit unten die strahlend blaue Laguna Conguillío. Wenig später macht der Aussichtspunkt seinem Namen alle Ehre und ich kann zusammen mit den Briten, die inzwischen zu mir aufgeschlossen haben, einen Condor beobachten, wie er seine Kreise über der Lagune zieht. Das ist schon irgendwie ein majestätischer Anblick!

Wir halten uns hier eine ganze Zeit lang auf und dann bekomme ich von den Briten eine Mitfahrgelegenheit zurück zum Campingplatz angeboten. Perfekt – das ermöglicht mir den restlichen Aufstieg in die Sierra Nevada auch noch mitzumachen, da ich nach dem Abstieg nicht auch noch die anderthalb Stunden zum Campingplatz zurück laufen muss.

Der weitere Weg steigt stellenweise sehr stark an und im oberen Teil müssen wir einige Schneefelder überqueren. Außerdem ist die Wegfindung nicht mehr so einfach als bisher. Etwa 15 Minuten vor dem Ziel kommt uns ein anderer Tourist entgegen und ermutigt uns, den restlichen Aufstieg auch noch zu machen. Die Aussicht von dort oben sei toll, es würde sich also lohnen.

Schließlich erreichen wir das Ziel der Tour, den Mirador in der Sierra Nevada. Die Aussicht ist in der Tat schön, wobei sie nicht mit jener von Mirador Los Condores mithalten kann und sie auch den eher beschwerlichen Restaufstieg nicht wirklich lohnt. Zudem beginnt sich der Himmel inzwischen zuzuziehen und die Sicht ist damit nicht mehr so hervorragend wie zuvor.

Laut meinem Rother Wanderführer soll man hier oben ja campen können. Die Ranger hatten das ja verneint, aber tatsächlich sehen wir eine Gruppe Wanderer, die soeben ihr Zelt aufbauen. Es scheint also inoffiziell schon möglich zu sein. Aber ich hatte meine Ausrüstung ja auf dem Campingplatz zurück gelassen und muss daher heute noch absteigen.

Und genau das tun wir alle zusammen auch wenig später. Wir kommen gut voran und sind etwa zwei Stunden später beim Auto der beiden britischen Pärchen.

Zusammen fahren wir zum Campingplatz, wo inzwischen einiges mehr los ist. Außer der Gruppe Einheimischer, die ich am Mittag noch für Arbeiter gehalten hatte und bei denen es sich wohl um eine Art “Jung-Senioren-Ausflug” handelte, war auch noch eine Gruppe chilenischer Pfadfinder eingetroffen. Zu allem Übel hatten sich beide Gruppen im vorderen Teil des Campingplatzes breit gemacht, wo auch ich mein Zelt aufgebaut hatte. Da ich aber schon meine Ruhe haben will, wenn ich schon in der freien Natur unterwegs bin, packe ich kurz entschlossen meine Sachen und mein Zelt und ziehe in den hinteren Teil des Platzes um, in dem auch die Briten sich niedergelassen hatten.

Nach dem Wiederaufbau meines Zeltes genieße ich eine kurze, warme (!!!) Dusche und koche mir dann meine mitgebrachte Fertigpasta. Anschließend verkrieche ich mich auch schon in mein Zelt, weil es inzwischen etwas kühl geworden war. Außerdem will ich morgen nicht zu spät aufstehen, um die ca. 20 km bis nach Captrén zur Not auch zu Fuß zurücklegen zu können und trotzdem noch den Bus zurück nach Curacautín zu erreichen.

Fortsetzung folgt…

2 thoughts on “Trekking im Parque Nacional Conguillío (Teil 1)”

  1. guten Abend Timo
    die ausführliche Beschreibung deiner Wanderung in die Sierra hat in mir Bilder ausgelöst, wie ich sie, natürlich nicht so gewaltig, auf den Kanaren gesehen habe. ist doch gut, das du unterwegs immer wieder andere Leute antriffst, mit denen du dich unterhalten und eventuell auch etwas unternehmen kannst. Wahrscheinlich sind alle aus dem gleichen Holz geschnitzt, wenn sie sich auf eine solche Reise begeben.
    Lass es dir weiterhin gut gehen.

    Gruss
    Ulrike

  2. Hi Timo,
    beim Lesen deines Berichts mit den traumhaften Ausblicken sah ich sofort die Laguana Quilotoa vor mir. Das war für mic hauch eine sooooo spektakuläre Sicht und da bin ich ja auch ein paar mal allein oben auf dem Kamm gesessen, als du das Bett hüten musstest und Paps auch nicht so fit war. Diese Landschaft in der Ruhe zu genießen und auf sich wirken lassen zu können, ist einfach ein unbeschreibliches Erlebnis!
    Ich freue mich riesig für dich, dass dich dein Mut etwas Ungewisses anzupacken immer wieder mit einer geschickten Möglichkeit belohnt! Das wünsche ich dir weiterhin!!!
    Ganz liebe Grüße von deiner Mum

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