Eine Busfahrt mit Zwischenfall

(Nachtrag von Dienstag, 17.12.2013)

Heute Morgen – oder eher heute Nacht – klingelt um kurz nach vier Uhr der Wecker. Zeit zum Aufstehen, der einzige Bus nach Coyhaique fährt um fünf Uhr ab. Zügig machen wir uns fertig, packen unsere Sachen zusammen und laufen ein Stück die Straße hinunter zum Bus, der schon bereit steht. Wenig später geht es auch schon los.

Wieder führt die Fahrt rumpelnd über die Schotterpiste der Carretera Austral. Der wenige Schlaf macht sich bemerkbar und immer wieder nicke ich ebenso wie Jeroen neben mir ein.

Als wir durch Puyuhuapi durchfahren wird mir bewusst, dass Frederico gar nicht wie geplant hier aussteigt. Er wollte eigentlich den hiesigen Park besuchen und mit dem gleichen Bus am nächsten Tag weiterfahren, hat seinen Plan über Nacht aber wohl geändert.

Viel sehen wir von diesem Teil der Carretera Austral nicht. Zum einen dämmert es ja gerade erst, zum anderen ist es recht bewölkt, fast neblig, und es hat auch noch leicht angefangen zu regnen! So fahren wir rumpelnd dahin und holen streckenweise ein wenig des fehlenden Schlafs nach…

… und dann plötzlich – rums – knallt unser Bus auf einen vor uns stehenden! Während des scharfen Bremsens sehe ich noch den anderen Bus und denke “Das wird nicht reichen!” und dann knallt es auch schon. Wie ich später erfahre ist der andere Bus wohl unerwartet aus parkender Position an der Seite eingeschert. Der Aufprall ist zum Glück nicht allzu heftig, so dass niemand verletzt wird. Aber beide Busse tragen ihren Schaden davon. An unserem ist die Motorhaube eingedrückt, die Scheinwerfer beschädigt, die Hupe abgefallen und die Windschutzscheibe gerissen. Außerdem läuft irgendeine Flüssigkeit aus, die aber zum Glück nach Wasser aussieht. Gehen wir also mal davon aus, dass die wichtigsten technischen Bestandteile noch funktionieren. Für ein paar Minuten steigen fast alle aus. Der andere Bus fährt kurz darauf einfach weiter und auch unser Fahrer meint nach kurzer Inspektion des Schadens “vamos” :-).

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Etwa eine Stunde später halten wir an einer Polizeistation an, wo auch schon unser Unfallgegner wartet. So läuft das also hier: Man ruft nicht die Polizei, sondern man fährt selbst hin :-).

Die beiden Fahrer erledigen in der Polizeistation den notwendigen Papierkram und dann geht’s weiter. In Deutschland hätte unser Bus vermutlich wegen fehlender Verkehrssicherheit nicht weiter fahren dürfen – hier wird das pragmatischer gehandhabt.

Auf der restlichen Fahrt erleben wir nun die an uns vorbei ziehende Landschaft bei deutlich besserem Wetter. Und als wir pünktlich (Werden Unfälle bei der Reisezeit hier gleich mit kalkuliert?!) nach sechs Stunden Fahrt in Coyhaique ankommen scheint wieder die Sonne vom strahlend blauen Himmel.

Jeroen verabschiedet sich noch im Terminal von uns, da er nach Möglichkeit noch heute nach Chile Chico fahren und von dort über die Grenze nach Argentinien wechseln will. Frederico, Gianfranco und ich machen uns auf den Weg zum Tourismus-Büro, um Informationen über mögliche Aktivitäten und Transfers der nächsten Tage zu beschaffen. Die Auskünfte, die wir dort bekommen sind wirklich hervorragend! Das dürfte eines der besten Tourismus- Büros sein, das ich in Südamerika bisher besucht habe.

Leider kommen aber wieder einmal Hindernisse auf uns zu. Eines der Schiffe, die die großen Seen und Fjorde des südlichen patagonischen Inlandeisfelds befahren ist wegen technischer Probleme außer Betrieb. Ein Teil der Strecke von Villa O’Higgins durch die “Hintertür” nach Argentinien müssen derzeit deshalb zu Fuß zurückgelegt werden. Prinzipiell wären 15 km zusätzlich ja kein Problem – nicht jedoch, wenn man das gesamte Gepäck dabei tragen muss. Auf den Trekking-Touren wird ja immer nur das nötigste mitgenommen, hier müssten wir aber unser gesamtes Gepäck mitschleppen. Da für diesen Teil der Strecke auch keine Packpferde zur Verfügung stehen, fällt dieser sicherlich spektakuläre Weg nach Argentinien flach und es bleibt nur der reguläre Grenzübergang zwischen Chile Chico und Los Antiguos.

Auch meine geplante Bootstour zum San Rafael Gletscher stellt sich als schwerer heraus als gedacht. Noch immer hat die echte Hauptsaison nicht begonnen und viele Services sind noch nicht regelmäßig in Betrieb.

Nachdem wir das Maximale aus den Informationsquellen des Tourismus-Büros herausgeholt haben, begeben wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft. In einem Teil der Stadt, südlich von der Plaza de Armas finden wir eine Hospedaje an der anderen. Wir vergleichen ein wenig die Angebote und checken dann in einer mit einem Dreibettzimmer ein.

Auf getrennten Wegen begeben wir uns dann noch einmal auf Informationssuche. Ich kann dem Lonely Planet in diesem Fall nur beipflichten: Das System der Busse, die Coyhaique mit den umliegenden Destinationen verbinden ist mehr als unübersichtlich. Aber nach einiger Recherche habe ich zwei Möglichkeiten ausgeklügelt, die mir beide den Besuch eines Gletschers per Boot bieten. Die eine Variante führt zum San Rafael Gletscher im nördlichen patagonischen Eisfeld, die zweite Variante zum O’Higgins Gletscher im südlichen. Letztere verspricht etwas günstiger zu sein (bei immer noch sündhaften Preisen) und schließt die Gegend um Villa O’Higgins mit ein. Dafür ist der Transport wesentlich aufwändiger und aufgrund der anstehenden Weihnachtsfeiertage weniger verlässlich. Außerdem kostet diese Variante insgesamt mindestens zwei bis drei Tage mehr Zeit. Zum San Rafael Gletscher bzw. zum Ausgangspunkt der dortigen, deutlich teureren Tour ist der Transport dagegen fast ein Kinderspiel. Außerdem wird dieser Gletscher im Lonely Planet als absolut sehenswert beschrieben und diese Variante nimmt weniger Zeit in Anspruch. Dafür würde ich aber auch die gesamte Region um Villa O’Higgins auslassen. Beides ist aufgrund des eingeschränkten Transportangebots praktisch nicht machbar, ohne zu viel Zeit zu verlieren. Jetzt muss ich mich nur noch entscheiden. Und das fällt mir hier überhaupt nicht leicht!

Zum Abschluss des Tages und zur Feier der am Ende mit Bravour gemeisterten Carretera Austral gehen wir alle drei zusammen noch schön in einem chilenischen Steakhouse essen. So ein richtig gutes Steak mit einem hervorragend chilenischen Rotwein – einfach ein Traum!

2 thoughts on “Eine Busfahrt mit Zwischenfall”

  1. Frage: Wie kann in Südamerika ein Bus ohne Hupe fahren? Das war doch wohl ein Totalschaden, wenn die Hupe fehlt! Oder hat der Busfahrer die Fahrtzeit trotz Unfall eingehalten, da er nach dem Unfall nicht ständig die Hupe betätigen mußte und sich so mehr auf das Gaspedal konzentrieren konnte?!
    Gruß Paps

    1. Im Vergleich zu Ecuador oder auch Peru und Bolivien ist der Verkehr hier regelrecht zivilisiert. Gehupt wird für südamerikanische Verhältnisse relativ wenig und noch viel krasser: Die Autos halten an Zebrastreifen und häufig sogar einfach so für Fußgänger, die die Straße überqueren wollen. Vor allem letzteres hat mich anfangs regelrecht irritiert!

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