Ein unwiderstehliches Angebot

(Nachtrag von Mittwoch, 08.01.2014)

Zumindest geschlafen habe ich gut in meiner Unterkunft mitten im Rotlichtviertel von Punta Arenas :-). Aber schon allein die Tatsache, dass es kein WLAN gibt, führt zu dem Beschluss, hier nicht länger als nötig zu bleiben. Ein funktionierender Internet-Zugang ist auf Backpacking-Reisen inzwischen genauso wichtig wie die Reisebibel Lonely Planet. Für die nächste Nacht habe ich ja bereits gestern eine Reservierung in einem anderen Hostel machen können. Aber ich möchte mich auch noch einmal nach weiteren Alternativen umsehen.

Unterwegs statte ich auch der gestern ausgebuchten Hospedaje Magellanes nochmal einen Besuch ab. Diese wurde mir von einem deutschen Pärchen im Torres del Paine Park wärmstens für die nette Atmosphäre und die hilfreichen Tipps des Betreibers Sebastian empfohlen. Letzterer stellt sich als ein auf Reisen hier gestrandeter Deutscher aus Leipzig heraus, der tatsächlich sehr wertvolle Tipps und Informationen für mich hat. Unter anderem führt ein weiterer Anruf seiner chilenischen Frau bei dem Büro der Fähre nach Puerto Williams zu der Auskunft, dass ich dort einfach morgen früh aufschlagen soll und es dann für die am Abend beginnende Fahrt sehr wahrscheinlich schon noch einen Platz für mich geben würde. Das wäre natürlich einsame Spitze!

Neben dieser sehr erfreulichen Neuigkeit stellt sich außerdem heraus, dass für die nächste Nacht noch ein Bett im Dormatory frei ist, das ich mir natürlich sofort sichere. Den Umzug ziehe ich dann auch gleich noch durch und widerrufe meine bestehende Reservierung in dem anderen Hostel. Irgendwie ist das mit den Reservierungen hier schon eine seltsame Sache. Man kann diese offensichtlich völlig unverbindlich machen und kurz vor knapp wieder widerrufen. Wahrscheinlich führt dieses System erst zu der bescheuerten Situation, dass alle Unterkünfte ständig ausgebucht sind!

Nach dem Umzug verbringe ich eine Weile in meiner neuen Unterkunft und genieße den WLAN-Zugang. Dabei lerne ich auch eine Gruppe Mädels aus Darmstadt und Mannheim kennen. Die Welt ist manchmal schon ein Dorf!

Irgendwann schneit eine sehr alternativ wirkende Amerikanerin herein und erzählt dem Hostel-Personal etwas von einem 7-tägigen Segeltörn an Bord einer Yacht eines hier in Punta Arenas lebenden Neuseeländers. Der Törn startet hier in Punta Arenas und endet in Puerto Williams. Da werde ich natürlich hellhörig und frage genauer nach…

… und schon hat mich Molly als potentielles Crew-Mitglied am Wickel! Sie versprüht eine Begeisterung, der ich mich kaum entziehen kann. Vielleicht ist es aber auch gerade ihre offene Art, das ganze als eine tolle Option zu verkaufen, ohne mich in irgendeiner Art überreden zu wollen. Eine andere Deutsche, die bereits ein Ticket für die Fähre nach Puerto Williams ergattern könnte, klinkt sich auch noch in die Unterhaltung ein und macht mir das Angebot weiter schmackhaft. Und auch Sebastian, der Hostel-Betreiber, schlägt in dieselbe Kerbe. Er kennt Greg, den Eigentümer der Yacht und meint, dass ich bei ihm sicher gut aufgehoben sei. Er selbst hatte sich überlegt, an dem Törn teilzunehmen, es dann aber wegen der Arbeit im Hostel in der Hochsaison abgesagt.

Zu all diesen positiven Kommentaren kommt noch hinzu, dass der Törn hervorragend in meinen Zeitplan passen würde. Durch die zeitlichen Verschiebungen der letzten Wochen bin ich früher hier in Punta Arenas angekommen als ursprünglich geplant. Während der letzten Tage hatte ich mir schon mehrfach intensiv Gedanken dazu gemacht, was ich mit den zusätzlichen Tagen nun anfangen würde. Spätestens in Puerto Williams ist für mich das südliche Ende der Welt erreicht und von dort würde es nur in nördlicher Richtung nach Argentinien neues zu sehen geben. Allerdings würde das erhebliche Entfernungen mit sich bringen, die ich mit dem Bus zurücklegen müsste. Zudem muss ich ja irgendwie wieder zurück nach Santiago kommen und dafür haben sich nationale Flüge innerhalb Chiles als wesentlich preisgünstiger herausgestellt. Der Segeltörn würde also perfekt passen: In etwa einer Woche wäre ich in Puerto Williams und könnte dann noch jeweils ein paar Tage dort und in Ushuaia zubringen, bevor ich zurück nach Punta Arenas fahren und von hier nach Santiago fliegen würde…

Ich lasse mir das Angebot ein wenig durch den Kopf gehen und beschließe dann, der Sache weiter nachzugehen. Sebastian ruft für mich Greg an und vereinbart für den Abend ein Treffen mit ihm. Daraus wird dann spontan und in typisch südamerikanischer Lebensart gleich ein Barbecue für das ganze Hostel.

Nach dieser Wende der Perspektiven für die verbleibende Reise bin ich regelrecht durch den Wind. Ich muss einfach jedem von dem Angebot erzählen, den ich treffe. Den restlichen Nachmittag verbringe ich zusammen mit zwei Israelis mit einem Mittagessen in einem All-you-can-eat Restaurant und ein wenig durch die Stadt schlendern. Dann kaufe ich noch ein paar Zutaten für das Barbecue ein, denn so spontan wie dieses angesetzt wurde, so simpel sind auch die Regeln: Das Hostel stellt den Grill und jeder bringt etwas zu essen und trinken mit. Ich erinnere mich an die leckere Ananas am Spieß, die es immer in den Churrascarias in Brasilien gab.

Inmitten der Vorbereitungen taucht dann Greg im Hostel auf. Er erklärt mir ein paar Details zum geplanten Törn. So erfahre ich z.B. dass sein Schiff, die Northanger, Baujahr 1982, momentan noch im Trockendock liegt und am Freitag oder Samstag zu Wasser gelassen werden soll. Vorher müssen noch einige Dinge erledigt werden und Proviant für etwa einen Monat beschafft werden. Dann soll es auch sofort losgehen. Spätestens am 22. Januar muss Greg in Ushuaia sein, weil dort ein Törn um das Kap Horn startet. Es handelt sich bei unserem Törn also um eine Überführung, die Greg aber gemütlich gestalten will, so dass wir die Chance haben, die einmalige Natur der vielen Inseln Feuerlands zu entdecken. So plant er z.B. auch Landgänge ein und will nur bei Tageslicht unterwegs sein. Alles klingt irgendwie perfekt! Auch Greg ist mir mit seiner gelassenen Art sofort sympathisch und so zögere ich nicht lange und heuere an! Wir verabreden uns für morgen bzw. für Freitag und ich biete meine Hilfe bei den letzten Vorbereitungen an. Diese nimmt Greg gerne an und macht sich dann auch schon wieder auf den Weg.

Das Barbecue beginnt und es wird ein langer Abend mit gemütlichem Beisammensein rund ums Lagerfeuer im Innenhof des Hostels. Irgendwie kann ich so richtig nachvollziehen, warum Sebastian hier gestrandet ist und offensichtlich nicht die geringsten Ambitionen hat, nach Deutschland zurückzukehren…

2 thoughts on “Ein unwiderstehliches Angebot”

  1. also mal wieder ab aufs Wasser, das kennst du ja bestens. und alles in einer wahrscheinlich unvorstellbaren Landschaft. Gratuliere zu deinem Entschluss.

  2. Hi Timo,
    gratuliere, dass du dich für diesen Törn entschieden hast. Was du davon berichtet hast, riecht wieder nach einem spektakulären Abschnitt deiner großen Reise, nach einem neuen Höhepunkt!
    Machst du dir zwischendurch immer mal wieder bewusst, dass du derzeit in vollen Zügen “Deinen Traum” wirklich lebst? Super, super, ich freue mich so für dich!!!
    Lass es dir weiter gut gehn und genieße jeden Augenblick!!!
    Ganz liebe Grüße von deiner Mum.

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