An Bord der Northanger

(Nachtrag von Sonntag, 12.01.2014)

Um 15:00 Uhr treffe ich Molly in der Stadt vor dem Cafe Tostados. Sie ist immer noch so aufgedreht wie schon bei unserem ersten Treffen, bei dem ich von diesem Törn erfahren habe. Wir trinken erstmal einen Kaffee und unterhalten uns eine Weile. Dabei erfahre ich ein paar interessante Details über sie, ihre Reise, ihre Arbeit an Bord der Northanger und über Greg. So z.B. sie erst 26 Jahre alt ist – ich hätte sie wesentlich älter geschätzt – und dass sie seit 13 Monaten auf Reisen ist. Sie verdient sich mit Wandmalereien und anderen Gelegenheitsjobs (u.a. während der letzten fünf Wochen beim Flottmachen der Northanger) ihren spartanischen Lebensunterhalt und scheint keine großen Ambitionen zu haben, in ein “normales” Leben zurückzukehren. Bleibt natürlich auch die Frage, was “normal” ist und wer das definiert – ich bewundere und beneide sie jedenfalls schon jetzt…

Greg Landreth, der Eigentümer der Northanger, startet am 22. Januar von Ushuaia aus zu einer Kap Horn Umsegelung. Unser Törn dient also hauptsächlich dazu, die Northanger dafür nach Ushuaia zu verlegen. Gregs Frau Keri Pashuk ist derweil mit einem zweiten Schiff unterwegs nach Ushuaia und befindet sich momentan irgendwo vor der Nordostküste Brasiliens.

Nach dieser gechillten Unterhaltung marschieren Molly und ich los und positionieren uns an einer Kreuzung am Stadtrand, um per Anhalter zum Liegeplatz der Northanger zu fahren. Molly erzählt mir, dass sie schon die ganze Zeit ihrer langen Reise so unterwegs ist. Und tatsächlich, schon nach wenigen Minuten werden wir von einem chilenischen Paar mitgenommenen und sind wenig später bereits bei der Northanger. An Land liegend wirkt sie gar nicht so groß, wie ich erwartet hatte. An bzw. unter Deck lerne ich Duncan und Renée aus New Foundland, Canada kennen. Sie sind Freunde von Greg und wollten ursprünglich andere Segelfreunde aus Holland treffen, um mit ihnen über Ushuaia in die Antarktis zu segeln. Diese haben sich aber verspätet und so segeln sie nun mit uns nach Ushuaia.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit der Erledigung der letzten wichtigen Arbeiten vor der Wasserung der Northanger. Diese soll bei Flut gegen 22:30 Uhr stattfinden. Außerdem nimmt uns Greg in zwei Gruppen zu einer kurzen Einweisungsfahrt mit dem Dinghi mit. Was für Molly völliges Neuland ist, ist mir von unseren zahlreichen Törns mit der Familie bereits bekannt. Trotzdem kann ich von Greg mit Sicherheit noch viel lernen…

Am Abend gibt es das erste Abendessen an Bord. Da Molly strikte Vegetarierin und absolute Verfechterin von gesunder Ernährung ist, wird es während des Törns ausschließlich fleischlose Nahrung geben. Für mich ist das an sich kein Problem und der Gemüse-/Bohnen-Eintopf schmeckt auch sehr gut. Lediglich die wirklich sättigende Wirkung fehlt mir etwas :-).

Nach dem Essen werden die wirklich letzten Arbeiten vor der Wasserung erledigt. Das Befüllen des 500 Liter Wassertanks zieht sich weit über eine halbe Stunde hin. Die Maschine wird gestartet und vorgewärmt. Da wir ja noch auf dem Trockenen sitzen, muss das notwendige Wasser für die Kühlung in einem großen Wasserfass unter Deck bereit gehalten werden.

Gegen 22:00 Uhr scheint dann alles wichtige soweit erledigt zu sein und wir warten auf die Jungs, die uns ins Wasser “schubsen” sollen. Wegen eines Missverständnisses treffen diese später ein als geplant und so beginnen die Arbeiten für die Wasserung erst gegen 23:00 Uhr. Eine ganze Crew wuselt um das Schiff herum, während wir an Deck auf die Rutschpartie ins Wasser warten. Leider hat es inzwischen angefangen zu regnen und so wird das Warten zu einer recht kühlen Angelegenheit. Ich überlege ständig, schnell noch meine Regenkleidung anzulegen, will aber natürlich auch nichts verpassen.

Die ganzen Vorbereitungen und Handgriffe der Bodencrew wirken irgendwie sehr improvisiert, aber gegen halb eins gleiten wir schließlich ohne weitere Vorwarnung sanft ins Wasser. Ich hatte eine viel ruppigere Wasserung erwartet und deshalb darauf verzichtet, meine Kamera bereit zu halten. Sofort wird die Maschine gestartet und ich bekomme das Kommando zum Herablassen des Hubkiels. Dann muss nur noch ein Freund von Greg zurück an Land gebracht werden, der die ganze Prozedur zur Absicherung vom Dinghi aus verfolgt hatte. Anschließend machen wir uns auf den Weg zu unserem Ankerplatz für heute Nacht.

Wenig spätern ankern wir ein paar Meilen nördlich direkt vor dem Stadtzentrum von Punta Arenas. Inzwischen ist es zwei Uhr nachts und nach einem kurzen Imbiss und fröhlichem Beisammensein suchen wir alle unsere Kojen auf.